WR1108 LK: Cicero

 

Thomas Brandt ist Sozialkundelehrer und erteilt mir Politikunterricht. In der dritten Stunde des Leistungskurses geht es um Marcus Tullius Cicero.

Ausführliche Shownotes und Unterstützungsmöglichkeiten gibt’s in Thomas’ Blog.

7 Gedanken zu „WR1108 LK: Cicero

  1. Nils

    Kleiner klugschiss zu „alles ist fussnote zu Dingens“: tatsächlich gibt es einen, dem Philosoph und Mathematiker Alfred N. Whitehead ( den meisten bestenfalls durch seine mit Bertrand Russell verfasste Arbeit „principia mathematica“ kennen, die heute aber ( nach den Ergebnissen Gödels) kaum noch jemanden interessiert.) zugeschriebenen Ausspruch der ungefähr(!) lautet: die ganze Philosophiegeschichte besteht nur aus Fußnoten zu Platon.
    Und bedeuten soll das, dass praktisch jedes Problem dem man sich in der Philosophie widmen kann, schon von Platon beackert wurde. Das Zitat erklärt das platonische Werk nicht zum sakrosankten Lehrgebäude (also nix Scholastik, die sich auch eher auf Aristoteles kaprizierte), sondern weist auf das beeindruckende Problembewusstsein Platons und die darauf beruhende bleibende Aktualität seines Denkens hin.
    Meine persönliche Sicht auf diesen Zusammenhang: die Philosophie ist grottenschlecht darin Probleme zu lösen. Unübertroffen ist sie aber darin „Blinder-Fleck-Komplexe“ ( ich nenn das jetzt mal so; Stichwort: wir sehen nicht, dass wir nichts sehen) offen zu legen. Das Ergebnis guter Philosophie ist also nicht Probleme zu lösen, sondern die Probleme besser zu verstehen. (Sehr selten gelingt aber auch ersteres)
    Für Platon bedeutet das: egal wieviele Riesen sich in zweieinhalb Jahrtausenden unter dir aufgetürmt haben, in seinen Dialogen findest du wahrscheinlich einen Haufen Einsichten, die dir noch nicht selbst gekommen sind.
    Platonlektüre ist also nicht bloßes Abarbeiten irgendeines fragwürdigen Bildungskanon mit dem Endziel Bonmotschleuder Deluxe zu werden, sondern wertvoll an sich…
    Und ganz nebenbei: Danke, neben der Wrintheit mein Lieblingswrintkanal.

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  2. equus

    Schöne Folge, ich freue mich schon sehr auf die weiteren. Thomas macht das wirklich gut (im Gegensatz zu der Staatphiliosophievorlesung, der ich mal an der Uni beigewohnt hat).

    Was ich aber noch loswerden wollte: Ja, Rom hatte einen Senat und Politiker und das hört sich erst einmal alles erstaunlich modern und demokratisch an. Nach allem, was man weiß, war das römische System (bzw. die Systeme über die Zeit) aber hoch korrupt und wurde fast ausschließlich von Leuten dominiert, die adelig, einflussreich und (teilweise extrem) wohlhabend waren. Cicero zum Beispiel entstammte einer Rittersfamilie (was, soweit ich das verstanden habe, als “zweit höchste” Schicht galt).
    Holger meinte (grob zusammengefasst und sinngemäß), niemand wird Politiker, weil er nicht was positives für die Leute tun will. Für Rom würde ich das persönlich in Abrede stellen. Römische Politiker waren aus meiner SIcht in aller Regel erst einmal darauf bedacht, den Status quo, Ihre Macht und ihren Wohlstand zu erhalten. Der Cursus Honorum und die Politik waren in Rom nach meinem Verständnis im Wesentlichen ein “Sport” der Oberschicht um ihre Interesse durchzusetzen. Wenn Cicero also von Gemeinwohl spricht, verstehe ich das eher gönnerhaft und würde unterstellen, dass er immer auch im Blick hat, wie viel die “da oben” zulassen müssen, damit das Volk die Füße ruhig stellt.

    So stellt sich mir das zumindest dar. Möglicherweise übertreibe ich auch?

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    1. Tarifkenner

      @equus
      Cicero wurde in einer kleinen Stadt in Latium geboren und war in Rom ein “homo novus”, also ein Aufsteiger, genauer: einer der Konsul wurde, ohne dass dieses Amt schon von einem seiner Vorfahren bekleidet gewesen wäre. Seine Karriere wäre also eher geeignet, die Gegenthese zu vertreten, dass es in Rom sehr wohl möglich war, in der Politik mitzumischen, auch wenn man nicht dem römischen Patriziat angehörte.

  3. equus

    @Tarifkenner:
    Zwar stammte Cicero nicht direkt aus einer Senatoren-, aber wie gesagt doch aus einer wohl recht angesehen Familie der römischen Oberschicht. Er war, nach allem was wir wissen, also kein “Tellerwäscher” der sich zum Senator hochgearbeitet hat, sondern ist bereits sehr privilegiert eingestiegen, hat aufgrund seiner Herkunft eine sehr gut Ausbildung genossen und verfügte über die entsprechenden Kontakte. Insofern sehe ich ihn ihm eher ein Beispiel für “wer hat, dem wird gegeben”.

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  4. Marco

    Ich möchte gerne was zu der von von Holgi zitierten Klientelpolitik sagen. Ich glaube, dass Klientelpolitik grundsätzlich erstmal nichts schlechtes ist. Der Mindestlohn ist ja Klientelpolitik. Problematisch wird es wenn eine bestimmte Klientel bevorzugt wird. Politik hat ja eigentlich die Aufgabe Interessen der einzelnen Bürger in Staat wahrzunehmen und mit den Möglichkeiten in Einklang zu bringen. (Ok es ist, eine sehr vereinfachte Politik Definition.)

    Wenn wir auf Lindner FDP schauen, dann dürfen wir die nicht nur liberal bezeichnen, sondern als Wirtschaftsliberal. Das ist das große Problem an der heutigen Politik der FDP. Wenn ich nicht weiß, was ich morgen Essen und kann, oder wie ich meinem Kind die Klassenfahrt finanzieren soll, dann bin ich nicht frei und kann dort auch nicht, aus eigener Kraft, herauskommen.

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    1. holgi Beitragsautor

      Darum würde ich die FDP auch niemals als “liberal” bezeichnen, auch nicht “wirtschaftsliberal”, denn ihre Politik taugt kaum dazu, das Wirtschaften reibungslos zu gestalten, sondern eher dazu, das Wirtschaften derjenigen ungestört zu lassen, denen es schon gut geht. “Radikalkapitalistisch” wäre vielleicht passender.

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