WR274 Der Ausländer nimmt uns die Wörter weg

 

wrint_wissenschaft_200Diesmal mit Köln, dem Eichplatz in Jena, Dialekten, FM4 und Blue Danube, dem Institut für Deutsche Sprache, dem Nürnberger Trichter, SWR Aula “Arm und Reich“, Verschwörungstheorien auf Facebook (collective attention), der Nase, einem Asteroiden mit Ringen, der Inflation des Universums (und den Sternengeschichten 69 und 70 zum Thema), Christenzählenunsichtbarem Sozialismus, selbstheilenden Kunststoffen, Strom aus Mondlicht, Popmusik, einer sich vom Weltuntergang distanzierenden NASA, einem Gen gegen Aufmerksamkeit, dicken Kindern, unterernährten Kindern, dem Mythos “Digitaler Demenz”, und dem Rückruf eines Homöopathieproduktes, weil ausnahmsweise mal echter Wirkstoff drin ist.

Ohne Florian ginge es nicht. Hier sein Spendenhut.

38 Gedanken zu „WR274 Der Ausländer nimmt uns die Wörter weg

    1. MadManniMan

      Thema Eichplatz und Jena:

      Als halbinformierter dezentral wohnender Jenaer war ich bei der Abstimmung im Wesentlichen auf die Argumente der Befürworter und Gegner angewiesen – und tatsächlich: Hauptargument ist, Jena würde a) von mehr Gewerbe profitieren und b) die teils neu entstehenden Wohnungen ein wirksames Mittel gegen den extrem geringen Leerstand sein.

      Zu a): drumherum(!) sind diverse Geschäfte, 100 Meter(!) weiter ist eine Mall. Selten so einen absurden Quatsch gehört.

      Zu b): es braucht günstige Wohnungen für Studis, die rund ein Fünftel der Einwohner ausmachen. Da würden vor allem hochpreisige Sachen entstehen. Klingt nicht unbedingt nach einer Beseitigung des Problems 😉

    2. Florian Freistetter

      Immerhin beträgt die Wahlbeteiligung 64%. Das ist für so ne Briefabstimmung schon recht ordentlich. Das Thema scheint also wirklich zu beschäftigen. Naja, am Freitag wissen wir, wie es ausgegangen ist…

    3. MadManniMan

      Krass! Mit 64 % hätte ich nicht gerechnet!

      Ich bin sehr gespannt, was die Mitbürger so denken. Meine Kommilitonen waren größtenteils desinteressiert oder ohnehin nur mit dem Nebenwohnsitz hier gemeldet, dadurch habe ich ehrlich gesagt kein Gefühl dafür, wie die Sache ausgeht.

  1. psh0r

    Ich kann nur empfehlen, sich Zeit zu nehmen und sich die Argumentation von Manfred Spitzer statt aus Sekundärquellen und Zusammenfassungen von Metastudien einmal aus einer Primärquelle zu Gemüte zu führen, z. B. hier:
    https://www.youtube.com/watch?v=FnDEF7Aw9HI#t=7m30s

    Der verlinkte Artikel von Appel & Schreiner ist zutiefst unwissenschaftlich und hat mit Spitzers Thesen inhaltlich nichts zu tun – im Gegenteil, sie stützt diese teilweise sogar.
    Appel & Schreiner verwenden in ihrer Überschrift den Titel von Manfred Spitzers populärwissenschaftlichem Buch und stellen ihrer Einleitung ein aus dem Kontext gerissenes Zitat ohne weitere Erläuterung vor. Im restlichen Artikel wird inhaltlich nicht auf Spitzer eigegangen sondern ein Überblick über Metastudien gegeben, zu “Mythen”, die angeblich so in Spitzers Buch vorkommen ( genaue Angaben oder Zitate fehlen). Der Begriff “Mythos” wird gleich zu Beginn mit einer Wieselsprechfußnote (die ganz am Ende des Papers zu finden ist, nicht etwa auf der gleichen Seite) semantisch neu definiert.
    Appel & Schreiner suggerieren damit, Spitzer sei nur “Populärwissenschaftler” und würde die von ihnen selbst aufgestellten “Mythen” vertreten, ohne irgendwelche Belege anzuführen. Zu ihren selbstaufgestellten “Mythen” zitieren sie Metastudien und interpretieren deren Ergebnisse und suggerieren dabei, den “Mythos” nun widerlegt zu haben. Das ist allerunterstes Niveau.

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    1. Flo

      Also, ich kenne Prof. Spitzer zwar, habe mal in seinem Institut gearbeitet, habe aber sein Buch (noch) nicht gelesen. Es sei hier am Rande erwähnt, dass an seinem Institut in Ulm auch an anderen Themen zur Sinneswahrnehmung (Stichwort Priming!) geforscht wird, es ist also nicht so, dass sich ganze Arbeitsgruppen an dem Thema digitale Demenz abarbeiten.
      Anyway, zum Inhalt: es ist für “digital natives” natürlich immer leicht das was Prof. Spitzer sagt als Bullshit abzutun und sich nur die passenden Daten rausfiltern, so wie es in dieser Sendung passiert ist.
      Ich will auf nichts spezielles eingehen, ich will nur ein kurzes Experiment machen – mit einem geilen Querschuss zu Holgis Foto-Podcasts 😀
      Stellt euch vor ihr lernt fotografieren – einmal an einer Nikon D4s und einmal an einer Olympus OM10. Die OM10 ist eine analoge Kamera ohne autozoom, ohne autofokus und mit Blendenrad am Objektiv.

      Jetzt lernt ihr mit der Kamera umzugehen und lernt Blende, Fokus und Bildausschnitt (zoom) zu wählen. Wer lernt schneller?
      Ich brauche keine Studien zu zitieren, es ist aber einfach so, dass der Mensch besser lernt, wenn er eine Tätigkeit mit etwas Haptischem verbindet. Will sagen: ich lerne schneller was Blende ist, und wie/wo ich die einstellen kann. Der Punkt ist hier: das Blendenrad muss immer nur diese eine Funktion haben. Klar hat die Nikon auch ein Rad für die Blende. Das Rad bei der Nikon oder bei anderen Digicams hat eben auch andere Funktionen. Und genau da fickt sich unser Hirn selbst und unser Lerneffekt ist erstmal weg.

      Der Punkt ist: Digitales Leben, Wissensansammlung, etc. alles schön und gut, aber das Lernen an sich fällt uns manchmal auf die “klassische” Art doch leichter. Ich kann nämlich auch an andere Beispiele als die Kamerabedienung denken, bei denen ich ohne Computer schneller lerne…

    2. Timo Altfelde

      Sorry bin gerade etwas erregt. Es ist das erste mal, dass ich was von ihm mitbekomme.

      Ich hab mir das Video angesehen… ich habe nicht den Eindruck, dass er wirklich sauber wissenschaftlich schlussfolgert. Er vermischt sehr oft seine eigene Interpretation mit den Ergebnissen von Studien, die so wie er es erzählt, eigentlich weit mehr Schlussfolgerungen zulassen. Auch blendet er alternative Interpretationen aus. Nur weil man Korrelationen hat, sieht man nicht direkt irgendwelche Kausalitäten, besonders wenn sie nicht in einer Studie gemeinsam untersucht wurden.

      Er zeigt Beispielweise eine Korrelation zwischen Fernsehkonsum und schulischen Leistungen und behauptet, dass es ein Beleg dafür wäre dass Fernsehen zur Verdummung führt. Es ist durchaus eine Korrelation vorhanden, die ich auch nachvollziehbar finde. Auf die Idee, dass Eltern die sich weniger mit ihren Kindern beschäftigen, auch zu einem höheren Fernsehkonsum führen kommt er nicht. Auch scheinen soziale Schichtungen unberücksichtigt gewesen zu sein. Nur weil die Intelligenz “rausgerechnet” wurde, bedeutet es noch lange nicht, dass nicht andere Faktoren eine Rolle spielen. (1:49:00) Dabei erinnert er mich an Christian Pfeiffer, der macht auch solchen Unsinn.

      Auch betont er immer wieder, dass Ursache und Wirkung bei den Studien klar sei, nur weil er ein paar Randbedingungen “statistisch rausrechnen konnte”. Solche Aussagen regen mich richtig auf und zeigen nicht gerade ein tieferes Verständnis von Statistik. Statistische Untersuchungen können einen Kausalen Zusammenhang widerlegen, da eine Korrelation voraus gesetzt sein muss, aber das heißt noch lange nicht, dass man einen solchen auch belegen kann.

      Ich finde es ebenfalls nicht seriös, dass er immer wieder betont, wie valide seine Daten sind und dass die Kritiker keine Ahnung von wissenschaftlicher Arbeit hätten. Zitat (1:58:25) : “[…] dass ist das was wir wissen. Anhand von guten Daten”.

      Wenn ich ehrlich bin, habe ich bereits ein Problem damit, dass er die fMRT-Daten als Mapping von Aktivitätszentren definiert, obwohl diese physikalisch nur den Sauerstoffverbrauch in dem Areal visualisieren. Es ist sinnvoll es so zu interpretieren, allerdings gibt es diese Daten erst seit kurzem und man sollte vorsichtig sein, zumal es in der Vergangenheit bei biophysikalischen Signalen Fehlinterpretationen gab. Ich gebe zu, die Kritik von mir ist vielleicht etwas zu pingelig und besserwisserisch.
      Auch finde ich es extrem gruselig, dass er eine Grundgesamtheit von zum Teil 20 Personen als angemessene Grundlage für seine Schlussfolgerungen ansieht.

      Scheinbar wertet er auch erworbene Kenntnisse unterschiedlich. Bei seinen Beispielen für Beispiele benutzt er meistens auswendig gelerntes Fachwissen, allerdings gab es kein konkretes Beispiel für das Verständnis von Zusammenhängen ohne wieder auf auswendig gelerntes zurück zu greifen (s. 1:22:30).
      Subjektiv habe ich eher den Eindruck, dass auswendig Lernen teilweise ein Problem beim Verständnis darstellt, da einmal gelernte Fehlinformationen sich schlecht abgewöhnen lassen.

      Auch seine Beispiele für Mediennutzung triefen von Vorurteilen. Wikipedia wird als C&P-Quelle für PowerPoint-Referate interpretiert… Mediale Nutzung bedeutet für ihn automatisch die Verwendung von Google oder das stumpfsinnige Betrachten von Fernsehbildern…
      Negativbeispiele mit moderner Technik, könnte man auch mit älterer Technik konstruieren. Abschreiben und C&P ist kein modernes Phänomen. Früher sah man es nur schlechter, da die Quellen schlechter verfügbar waren.

      Auch seine anschaulichen Beispiele sind schwierig. Ich finde es nicht sehr seriös, wenn man statistische Interpretationen mit Vergleichen von Alltagserfahrungen zu belegen versucht. Das ist eine effektive rhetorische Technik, aber lenkt von der wissenschaftlichen Aussagekraft ab. Nur weil haptische Reize gut zum Lernen sind, müssen seine Schlussfolgerungen nicht richtig sein.

    3. psh0r

      Mir ging es vor allem um das Paper zu den “Mythen” und dessen billiges Mitwschwimmen auf der Spitzer-Diskussions-Welle. Darin wird nicht Spitzer widerlegt. Dass die “widerlegten Mythen” in “Digitale Demenz” vorkommen ist eine Behauptung ohne Zitatnachweis und das ganze Paper ist eine Übersicht über Metastudien anderer Wissenschaftler, also Meta-Meta.

      Zu Spitzer selbst:
      Ich finde das, was er zu Lernvorgängen sagt, durchaus spannend. Seine Schlussfolgerungen finde ich meist ziemlich einseitig. Zwei konkrete Vorschläge, die ich von ihm kenne, sind Verbote und Steuern für Medieninhalte mit Gewalt (Computerspiele & Film/TV) die ich beide sehr kritisch sehe, da hier vom Staat ausgewählte Inhalte unterdrückt werden. Die Auswahlkriterien können sich nach einem Regierungswechsel schnell ändern und z. B. auf Pornografie oder unliebsame politische Inhalte ausgeweitet werden.

      Ich denke, dass der Fokus zur Verbesserung des Bildungssystems auf die Qualtität und Auswahl der Inhalte und auf deren grundsätzliche Vermittlung gerichtet sein sollte und nicht davon dominiert, wo man überall “neue Medien” einsetzen kann. Sicher sind Internet- und Video-/Audiotechnik an einigen Stellen hilfreich. Aber ein irgendwie geartetes Display als Tafelersatz oder Tablets als Heftersatz, Klassenarbeit am Computer etc. halte ich für die falsche Richtung. Vor allem aufgrund der extrem viel höheren Gesamtkomplexität, die eine Gewährleistung von Zuverlässigkeit und Transparenz ebenfalls sehr komplex machen. Die Energie und das Geld, das dafür notwendig wäre, sollte lieber in inhaltlich und grunsätzlich didaktisch bessere Lernmaterialien und Lehrerweiterbildung investiert werden statt in Hardware, Software-Schulungen und Service-Veträge.

  2. Florian

    Zum Thema Zukunft der Erde fiel mir Nick Bostrom ein. Er geht der Frage nach, warum es noch keinen Kontakt mit ausßerirdischen Zivilisationen gab (Fermi-Paradox), wenn es doch eigentlich im Universum viele intelligente Lebensformen geben müsste. Seine Antwort: Viele Zivilisationen schaffen es nicht eine gewisse Schwelle zu überschreiten, da sie sich selbst auslöschen (Atombomben usw). Seine zweite Antwort überraschte mich: wir könnten in einer Geschichtssimulation leben.

    http://www.nickbostrom.com/papers/future.pdf

    http://www.simulation-argument.com/simulation.html

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  3. Simon

    Uebergewicht:

    Zwei interessante Vortraege von Robert Lustig, and der UCSF: Sugar: The Bitter Truth, Fat Chance: Fructose 2.0.

    TL;DW:
    – Zucker besteht aus Glukose und Fruktose (1:1).
    – Der Koerper benoetigt Glukose und verwendet sie via Insulin, in allen Zellen.
    – Fruktose wird allerdings komplett in der Leber verarbeitet (wie Alkohol), und hat daher andere Stoffwechselnebenwirkungen als Glukose.
    – Diese Nebenwirkungen sind u.A. das “schlechte” Cholesterin, Leberverfettung, und eine Beeinflussung des Hormons Leptin.
    – Leptin signalisiert im Koerper wie viel Energie zu Verfuegung steht.
    – Durch den Fruktosestoffwechsel in der Leber wird die “genuegend Energie”-Signalisierung beeintraechtigt, was dazu fuehrt, dass der Koerper/Gehirn permanent auf “bin am Verhungern” steht (also wenig Verbrauch, viel Essenszufuhr).
    – Frische Fruechte sind okay, da diese in Summe aufgrund der Ballaststoffe gut sind

    Bonus:
    – Zucker macht abhaengig

    Lustigs Aussage:
    – Leute sind nicht fett, weil sie voellern oder faul sind, sondern weil die Fruktose dieses Verhalten produziert (wie bei Nebenwirkungen von Suchterkrankungen)
    – Zucker/Fruktosekonsum einstellen (Frische Fruechte sind okay)

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  4. -gb-

    Zum Übergwewicht bei Kindern nennt Florian am Ende des Themans einen interessanten Punkt: Und zwar dass es bei Kindern in diesem Alter wohl (auch) von deren Eltern abhängt. Es gibt um Kinder im Einschulungsalter. Da kaufen sich Kinder noch nicht selber die Pizza sondern essen das was sie von ihren Eltern bekommen.

    Das würde auch gut zur Studie passen, jedoch mit umgedrehter Kausalität. Und zwar bekommen die Kinder nicht von Ihren Eltern solches Essen weil sie zur Unterschicht gehören und ein geringes Einkommen haben, sondern weil Ihre Eltern nicht sehr gebildet sind haben sie ein geringes einkommen und ernähren ihre Kinder anders.

    Ich sehe das doch recht oft, dass in Familien die zur Unterschicht gehören doch eher eine Cola auf dem Tisch beim Essen steht, und bei Oberschichtsfamilien eher ein Wasser. Auch ist gesunde Ernährung nicht teuer, Kartoffeln und Vollkornzeugs ist gerade zu günstig. Es schmeckt nur oft nicht so gut wie Pommes mit Ketchup.

    Ich vermute da eher ein Bildungsproblem und vielleicht auch Bequemlichkeit, es ist einfacher dem Kind etwas “Fertiges” aufzutauen als selber zu kochen. Es könnte aber auch ein Zeitproblem sein, wenn Eltern in der Unterschicht hart und lange für ihren geringen Lohn arbeiten müssen. Man kann sowas natürlich dann den Eltern anlasten, weil Jeder kann sich heutzutage selber informieren über das was gesund ist. Aber ich will es nicht nur ihnen anlasten, denn wann lernt man in der Schule schon etwas über Ernährung? Ja es gibt da sehr vereinzelt Projekte und vielleicht erwähnt es auch mal der Biolehrer am Rande, aber der Großteil von z.B. Bio ist geprägt vom Faktenlernen das uns selber nicht viel bringt. Da wird die Zahnformel des Hundes gelehrt und zumindest ich habe hier im bayrischen G9 nichts über gesunde Ernährung gehört. Ich finde das sehr schade und prangere weitere Einsparungen am Bildungssystem an! (ausserdem sollte man Religion an Schulen ersatzlos streichen)

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    1. NoUseForAName

      Zitat “Ich sehe das doch recht oft, dass in Familien die zur Unterschicht gehören doch eher eine Cola auf dem Tisch beim Essen steht, und bei Oberschichtsfamilien eher ein Wasser. ”

      Das weißt du woher genau? Lungerst du vor Wohnzimmerfenster herum und schaust auf die Tische, oder wirst du regelmäßig von einer relevanten Anzahl “Unterschichtsfamilien” und “Oberschichtsfamilien” eingeladen?

  5. Silvan

    Ob ihr euch im All gegenseitig umkreisen könntet (ein verlockendes Bild, das geb ich zu), hängt davon ab, wo ihr euch befändet. In einer niedrigen Erdumlaufbahn würde die Erdgravitation überwiegen, und ihr würdet weitgehend unbeeinflusst voneinander jeder in seinem eigenen Orbit um die Erde sein. Aus dem Grund kann es auch keine Objekte in einem Orbit um die ISS geben.

    Berechnen kann man das laut Wikipedia als Hill-Sphäre eines Objektes (https://de.wikipedia.org/wiki/Hill-Sph%C3%A4re). Ein freifliegender Podcaster von 100 kg Gesamtmasse müsste mindestens 56.000 km von der Erde entfernt sein, damit er von einem Objekt in einem Meter Entfernung umkreist werden kann.

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  6. Thomas

    Also, Sprache entwickelt sich immer weiter und Entlehnungen sind ja vollkommen normal. Das ist wirklich reiner Nationalismus oder zumindest Konservativismus und interessiert auch eigentlich nur entsprechenden Medien, die dann immer den Weltuntergang kolportieren. Wir haben schon im Germanischen Wörter ausm Latein geliehen und um den Nationalisten den finalen Schlag zu verpassen: Indogermanisch, die Urform der meisten unserer europäischen Sprachen, hat gleiche Eigenschaften wie das Sanskrit, also ist mit dem Ur-Indischen verwandt. Will heißen: wir sind alles Sprachinder! 😉

    Zu dem Thema mit der Herkunft und dem Bildungsniveau: Quartiere in einer Stadt richten sich immer an der sozioökonomischen Basis der Einwohner aus. Sprich, es finden sich immer Leute mit dem ungefähr gleichen sozialen Status ein. Wenn man das Quartier jetzt aufwertet, dann steigt die Gesundheit der Kinder. Aber nicht, weil die Eltern ihren Sozialstatus erhöhen, sondern weil die dann die Mieten nicht mehr zahlen können und aus der Gegend wegziehen, während Leute, die höhere Mieten für ein besseres Quartier zahlen können, dorthin ziehen. (Siehe Gentrifizierung und zB Prenzlauer Berg) Am Ende hängt der soziale Status von der Bildung, dem Einkommen und der Menge und Qualität der sozialen Kontakte ab, führt aber zu Phänomenen wie Übergewicht bei Kindern und Konzentrierung von Armut in bestimmten Teilen von Städten. Es gibt auch Projekte, die versuchen diesem Prozess der Abwertung durch die Leute, die in einer Gegend wohnen entgegen zu wirken. Groß ist da das Projekt Das hat unter anderem zum Ziel, dass diese Stadtteile nicht auch komplett infrastrukturell abhängt und vergessen werden.

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    1. NoUseForAName

      Danke für den Link zu Thomas Freitag.

      Der Titel dieses Podcast ist wirklich göttlich. 😀 Danke Holgi und Florian.

  7. Jonas

    Danke für den Link zu “Collective Attention In the Age Of (Mis)Information”!
    Schreibe grade meine Masterarbeit zur politischen Partizipation im Internet, da kann man das wohl einfließen lassen! Sehr lustig! 🙂

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  8. Robert

    Leute abzutun, die sich über immer mehr Lehnwörter aus anderen Sprachen beschweren ist billig. Aber wie ist es mit anderen Beispielen von “Sprachverfall”? In meinem Münchner Umfeld hat die Abschaffung des Genitivs schon grosse Fortschritte gemacht, zB in Sätzen mit “wegen”. Ohne Frage ist das der Weg der Zukunft (die Engländer sind hier schon weiter in der weitgehenden Angleichung der Fälle), trotzdem leiste ich mir den Sprachsnobismus an dieser Stelle gegenzuhalten. IIRC habe ich auch Holgi mal Bemerkungen in diese Richtung in einem Podcast machen hören.

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    1. Florian Freistetter

      Naja, wenn der Genetiv verschwindet, dann kommt die Sprache ja offensichtlich auch ohne ihn aus. Grammatik verändert sich genau so wie der Wortschatz. Und diese Veränderung lässt sich genau so wenig steuern. Die Sprache “verfällt” nicht – sie ändert sich, so wie sie es immer schon getan hat.

    2. Helena

      In Bayern wird der Genitiv nur anders gebildet: Dem Seppl sein Hund… Die Farbe vom Seppl sei’m Hund.
      Ich sehe deinen Einwand mehr als dialektbedingte Integrationsunschärfe 😉

    3. Robert

      Re ändern vs verfallen: Schleift sich die Differenzierung zwischen zwei Fällen ab, sehe ich eine Richtung der Entwicklung zu weniger Komplexität, in dem Sinn ein Verfall der Differenzierungsmöglichkeiten. Hier geht Information verloren.

      Helena, wie ist den die lokal richtig gefärbte Fassung von “Ich wechsle die Strassenseite wegen des Hundes”. Meine Umwelt behauptet “wegen dem Hund”.

    4. Florian Freistetter

      Naja – da die Sprache heute nicht weniger komplex ist als früher kann man wohl davon ausgehen, dass der Sprachwandeln dann doch nicht zu einem “Informationsverlust” führt. Wenn Sprache Information verlieren würde, dann würde die Sprache ja auch nicht mehr funktionieren. Da aber jede lebende Sprache per Definition funktioniert, kann so ein Informationsverlust also nicht auftreten.

    5. spotnik

      Dazu kann ich aus meinen Sprachwissenschaftskursen beitragen (ohne Gewähr auf vollständige Richtigkeit, schon eine Weile zurück): Ähnlich wie in der Wirtschaft gibts auch in der Sprachwissenschaft die Idee von der unsichtbaren Hand; d.h. das man davon ausgeht, dass die Sprache (in Teilen) von der Sprechergemeinschaft gesteuert wird. Ein schlechtes Beispiel, weil es aus der Phonetik kommt, aber das Prinzip ist dasselbe: Es gibt phonetische Veränderungen vom Althochdeutschen ins Mittelhochdeutsche: So wird aus . Das erklärt man sich (teilweise) mit einer gewissen Faulheit der Sprecherinnnen, wobei die Sprecherinnen weiterhin verstanden wurden – es wirken quasi ein Prinzip des Sprechens und ein Prinzip des Verstehens gegeneinander. Will sagen: Es kämpft die Faulheit des Sprechens gegen die Faulheit des Nachfragens.
      Noch ein Beispiel für Faulheit ist das Verschwinden von starken Verben: Diese Verben ändern ihren Stammvokal im Präteritum: Ich laufe – ich lief. Das mag der Deutsche nicht, deswegen sagen die meisten inzwischen auch: Ich bin gelaufen.

  9. Alex O.

    Hallo Holgi, hallo Florian.

    Ich hab eine Frage für euch.
    Welche Rolle spielt die Zeit bei der Suche nach außerirdischem Leben ?
    In welchem Bereich ist es uns Menschen überhaupt möglich dannach zu suchen ?
    Nach meinem Verständniss sind wir im Jetzt gefangen und können auf die Entfernung nur in der Zeit zurück suchen. Vielleicht existiert bereits Leben in X Lichtjahren Entfernung, aber es kommt halt davon noch nix bei uns an. Genauso ist es doch auch sehr wahrscheinlich das Leben irgendwo erst in vielen vielen X Millionen Jahren enstehen wird. Leider hört, sieht und liest man zu diesem Thema so gut wie nichts.

    Würde mich freuen ein paar Worte dazu von euch zu hören, vielen Dank.

    Alexander Ostermeier

    Antworten
  10. t0rt0i53

    Hallo Holger, hallo Florian!

    Ich habe auch mal eine Frage an euch:

    Gibt es ein Ereignis das auf der Erde stattfinden kann, welches in der Lage ist, die Erde aus seiner jetzigen Umlaufbahn zu bringen?

    Antworten
  11. spotnik

    Ich habe auch eine Frage: Ich sitze gerade in der Bibliothek, habe Kopfhörer auf und habe gerade mein Platzlicht angeschaltet (Leuchtstoffröhre). Die Lampe geht an und es knackst kurz im Kopfhörer. Warum?
    Ich nehme an, wenn ich mein Kopfhörerkabel abschirmen würde, würde das nicht passieren, trotzdem würde mich interessieren, was da eigentlich genau passiert, wenn da Teilchen meinen Musikgenuss sabotieren.

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