Ich bin immer dankbar, wenn sich Menschen bei mir melden, die einen Beruf haben, über den sie gerne sprechen wollen. Einer dieser Menschen ist Ulrich. Er ist Insolvenzverwalter, erklärt die Unterschiede zwischen Regel- und Verbraucherinsolvenz und wie so eine Insolvenz vonstatten geht.
Shownotes
von vale
Intro
00:00:00Mit Insolvenzverwalter Ulrich — Jeder kann Insolvenzverwalter werden — Volljurist — Manche Insolvenzverwalter sind auch Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer — Insolvenzordnung (Früher Konkursordnung) — "Insolvenzverwaltung ist ein Vollzeitjob" (Ulrich) — Die alte Konkursordnung verfolgte das Ziel der Zerschlagung bankrotter Unternehmen — Verbraucherinsolvenz wird auch als Privatinsolvenz bezeichnet.
Gründe für Insolvenz
00:09:12Zahlungsunfähigkeit — Fällige Zahlungen — Überschuldung — Passivseite — Aktivseite — VOB.
Verbraucherinsolvenzverfahren
00:16:06Insolvenzverfahren werden von Privatpersonen oft sehr spät angestoßen — Einigungsversuche vor Insolvenzverfahren schlagen fast immer fehl — Insolvenztreuhänder (Ab Juli 2014 auch Insolvenzverwalter) — Insolvenzverfahren über einen Anwalt zu initiieren kostet mehr geht aber meist schneller als über Schuldnerberatungsstellen — Erstgespräch findet häufig beim Schuldner statt — Insolvente kommen aus allen Gesellschaftschichten — Auslöser sind oft Trennung oder Wegfall eines Arbeitsplatzes — Pfändungsfreigrenzen — Insolvenztabelle — Prüfung ob Forderungen legitim sind — Alle Gläubiger erhalten die gleiche Quote — Restschuldbefreiung nach 6 Jahren — Obliegenheit — Plötzliche Vermögenszuwächse müssen angezeigt werden — Wohlverhaltensphase — Besonders Erbschaften sind anzumelden — Insolvenzbekanntmachungen — Eingehungsbetrug — Zahlung hoher Summen mit EC-Karte führen häufig zum Vorwurf des Eingehungsbetrugs — Unvollkommene Schulden — Schufa — Kosten des Insolvenzverfahren bleiben nach Restschuldbefreiung erhalten — Stundung — Für das gesamte Verfahren entstehen Kosten von ca. 1700 Euro — Fehleinschätzung des eigenen Könnens ist Insolvenz Grund bei vielen Selbsständigen.
Regelinsolvenzverfahren
00:54:12Eine GmbH wird entweder saniert oder liquidiert — Ulrich bearbeitet 20-30 Verfahren parallel — Insolvenzplan (Um einen sinnvollen Plan vorlegen zu können muss das Unternehmen über feste Einnahmen verfügen) — Übertragende Sanierung — Im Normalfall werden Verkauf eines Unternehmens die Verbindlichkeiten mitverkauft — Verwertungsunternehmen übernehmen die Verwertung von Gegenständen (diese Bewerten auch Gegenstände um einen Verhandlungswert festzustellen) — Besonders Autohäuser und Bäckereien sind momentan von Insolvenz betroffen — Bauunternehmen sind momentan eher nicht Insolvenzgefährdet, wären jedoch klassische Kunden von Insolvenzverwaltern — Wirtschaftliche Lage Weltbildverlag — Der Insolvenzverwalter übernimmt die Befugnisse der Geschäftsführung — Vorläufige Insolvenzverwaltung — Macht sich der Insolvenzverwalter Feinde? — Gehen viele Unternehmen Pleite? — Insolvenzverwalter sind von den Insolvenz Richtern in ihrem Einzugsgebiet abhängig — Wie langfristig wirkt sich eine Insolvenz negativ aus — Limited Company — Auslagerung von Buchhaltung schafft Distanz von Unternehmern zu ihren Bilanzen — Mögliche Haftung eines Steuerberaters, im Falle der Beratung — Liquiditätsplanung — Fremdantrag auf Insolvenz (Wird häufig durch Krankenkassen oder das Finanzamt gestellt) — Mitbewerber mit Insolvenzantrag ausschalten — Banken versuchen Insolvenzverfahren herauszuzögern — Eine Sanierung muss zur Aufhebung des Insolvenzgrundes führen — Solange das Insolvenzverfahren nicht eröffnet ist kann der Antrag jederzeit zurückgezogen werden — ARD Radiofeature zum Insolvenzverfahren Reederei — Verabschiedung.
Outro
01:47:20
zuerst mal vielen Dank für die doch eher theoretische Aufbereitung des Themas.
Nettes Beispiel aus der Praxis gefällig?
Mein Arbeitgeber setzte seine erste Firma per vorbereiteter Insolvenz in den Sand und fährt den Schlitten unter anderem Namen mit denselben Praktiken weiter. Folge davon: keine gezahlten Löhne, Arbeitsgerichtsprozesse mit fruchtlosem Pfändungsausgang.
mehrere von FA und Krankenkasse gestellte Insoanträge wurden durch Zahlung abgewendet, während die nunmehr Exbeschäftigten dem schlechten Geld gutes zur erwartungsgemäss fruchtlosen Pfändung hinterherwerfen sollen.
Ein Trauerspiel.
Zuletzt kam das Gespräch ja auf ein Insolvenzverfahren, bei dem ein Gerichtsurteil der Auslöser war.
Gibt es eigentlich Arten von Schulden, die nach einer Privatinsolvenz nicht erlassen werden?
Ich denke da an große Schadensersatzansprüche, Geldstrafen oder ähnliches.
Siehe § 302 InsO. Wichtig ist, der Gläubiger muss seine Forderung aber auch als solche – überhaupt – anmelden. Häufig erfolgt zwar Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle, jedoch ohne Bezug zu § 302 InsO. Somit kann auch eine solche Forderung von der Restschuldbefreiung umfaßt sein.
In England dauert die Wohlverhaltensphase übrigens 12 Monate. Vielleicht lohnt es sich für den ein oder anderen sich in das Thema EU-Insolvenz mal einzulesen.
Eigentlich gar nicht mein Thema das ich mir anhören wollen würde. Hörte doch mal rein, Ulrich hat so gut gesprochen und interessante Dinge (Autoreifen, Fotographie) erzählt, dass ich es gerne bis zum Schluß angehört habe.
Zum Thema, ich kenne selbst einen Menschen der schon vor, ich glaube, über 10 Jahren Privatinsolvenz angemeldet hat. Müsste kurz nach Einführung dieser Möglichkeit gewesen sein. 20.000 Euro Schulden, einfach verprasst, damals noch Sozialhilfeempfänger, später dann Hartz4.
Ich muss wirklich sagen, die Gläubiger sind auch oft selber schuld wenn sie durch Insolvenz Geld verlieren. Ich gebe nunmal keinem Handyverträge, damals noch teures Internet mit Minutenpreisen, Bankkredite usw. die ohnehin schon so tief in der Kreide stecken, geringestes Einkommen haben, das sie es nicht mehr bezahlen können.
Kommen dann Rechnungen, Mahnungen usw. werden die gar nicht aufgemacht und einfach ignoriert. Steht der Gerichtsvollzieher vor der Tür lachen sie nur, es gibt ja eh nichts zu holen. Mit Kommentaren wie “Sollen sie doch in meine leere Hosentasche greifen, HAHAHA”. Und meinen noch, wie schlau sie doch wären, alle anderen dumm, alle auszunutzen und am Ende gar nichts bezahlen zu müssen.
Allerdings kam die Person von Telefonrechnungsschulden von einigen Tausend nicht drum rum, obwohl besagte Person deswegen extra umgezogen ist und nicht mehr gefunden zu werden. Naja, dann durch die PI doch wieder.
Jedoch genau alle Möglichkeiten kennt, um vom Staat Geld zu bekommen (Wohngeld usw.) mit dem Kommentar “Das steht mir zu”.
Zumindest weiß ich jetzt, warum diese Person von Anfang der PI an monatlich 20 Euro bezahlt hat. Das entspricht nach 7 Jahren (es waren doch mal 7 Jahre?) ziemlich genau diesen 1700 Euro die im Podcast erwähnt werden.
Wahrscheinlich habe ich auch nur einen besonders krassen Fall miterlebt. Ich möchte das in keinem Fall verallgemeinern. Da es der einzigeste Fall ist, den ich erlebt habe, ist meine Sicht wohl ziemlich einseitig.
Was die Gläubiger angeht. Gerade bei den “kleinen” Privatinsolvenzen sind es interessanterweise immer die gleichen Gläubiger.
Gab lange Jahre einzelne Mobilfunkanbieter die auch bei eher schlechter Schufa Verträge rausgaben. Laut einem Gerichtsvollzieher seien es die, die bei fast jedem auftauchen.
Mittlerweile sind die dank den Preipaid Anbietern glücklicherweise weitgehend verschwunden. Die großen Elektrohändler stehen immer noch oft in den Listen. Die die 0% Finanzierungen mit langen Laufzeiten für Unterhaltungselektronik anbieten. Wer darauf angewiesen ist, einen Fernseher drei Jahre lang abzubezahlen, sollte sich ein billigeres Modell suchen. Leider fangen sich solche Unternehmen die Leute die mit ihren eigenen Finanzen nicht umgehen können…
Würde mich nicht wundern, wenn die Elektrodiscounter das schon eingepreist haben, weil sie im Grunde nur Wert darauf legen, möglichst große Stückzahlen abzusetzen.
Beim Handyvertrag stehen die Minutenpreise und die realen Kosten ja auch in keine Verhältnis. Wahrscheinlich ist die Marktdominanz wichtiger als eine Leute die ihre Kröten nicht zahlen oder sehr spät nur einen Teil.
Hallo,
interessante Folge, das mit der Privatinsolvenz habe ich so vorher nicht gewußt.
Wer sich mehr für das Thema interessiert: Omega Tau hatten auch eine Folge zum Thema Insolvenz, http://omegataupodcast.net/2013/07/128-insolvenz-und-sanierung/ . Der Schwerpunkt lag dort mehr auf die Insolvenz und Sanierung von Firmen.
Danke für die Erwähnung der Omega Tau Folge, ich überlege schon die ganzen Tag wo ich schonmal was zu dem Thema gehört habe und habe schon gedacht es war auf dieser Seite mit dem gleichen Moderator und er versagt beim pluggen der eigenen Sendung. *trololol*
Aber ernsthaft: Ich kann die Omega Tau Folge auch sehr empfehlen.
Vielen vielen Dank Holgi und Bravo für ein Sendung mit Suchtfaktor. Nach der Einführung der Kochschule und der Fotografie hat die Wrintheit wieder genau ins Schwarze getroffen.
Schön das es Podcast gibt und solche die sie machen. Hoffentlich wird dieses Medium bald ein ganzes Stück bekannter. Ich würde gerne meine GEZ Gebühren in dieses Format stecken und nicht in Formate wie den Fernsehgarten und und und.
Sie es so: Ich lebe im Wesentlichen vom Rundfunkbeitrag, der es mir ermöglicht, Wrint überhaupt zu machen, wovon alleine ich nicht leben könnte 🙂
Außerdem finanziert das Fernsehgarten-Publikum die Produktionen von Sendungen, die unsereins gerne sieht.
Als Einordnung, wie viele Unternehmungen Pleite gehen, kann man sich die durchschnittliche Lebenserwartung von Unternehmen anschauen. Darin enthalten sind natürlich auch Übernahmen und Geschäftsaufgaben aus Altersgründen etc, aber man bekommt immerhin ein Gefühl für die Größenordnung, eine Obergrenze.
“Eine statistische Untersuchung europäischer und japanischer Unternehmen weist eine durchschnittliche Lebenserwartung von 12,5 Jahren für die untersuchten Unternehmen aus. ”
http://www.wsfb.de/Wissenspool/wp_7_5_6.htm
Hallo Ulrich,
ich habe bekannte die beim Arbeitsamt™ in Bremerhaven arbeiten, einige für das Land Bremen andere für Niedersachsen, und die sagten mir, dass die Leute aus dem Land Bremen (= Bremerhaven) um einiges ärger sind als die Niedersachsen (= Landkreis Cuxhaven usw). Kannst du die Erfahrung teilen?
Mhm, was heißt “ärger” ? Also menschlich gesehen, halte ich die Leute für vergleichbar. Statistisch mag es sein, daß es in Bremen/Bremerhaven eine höhere Verschuldensquote – privater – Haushalte gibt. Dies hat jedoch auf das eigentliche Insolvenzverfahren keinen Einfluss. Gibt halt nur mehr.
Ulrich
Total interessantes Gespräch, danke!
Interessanter Einblick in das Thema Insolvenz. Den Teil mit der Privatinsolvenz kannte ich bislang nur von “Raus aus den Schulden”, wo eine Privatinsolvenz oft die ultima ratio ist.
Eine Unternehmensinsolvenz habe ich damals bei der MAXDATA, Marl mal durchlitten. Sowas ist alles andere als schön, die damals zur Tabelle angemeldeten Gehaltsforderungen (nicht die Welt, Wert eines größeren iPhones) habe ich inzwischen abgeschrieben.
Interessant übrigens war in dem Zusammenhang, dass die Mitarbeiter je nach Zugehörigkeit zu den einzelnen GmbHs unterschiedlich glimpflich davon gekommen sind. Der “Produktions-GmbH” gehörten die kompletten Bestände, sodass von den Erlösen immerhin noch eine Transfergesellschaft gegründet werden konnte und auch die AG, die u. a. das Cash-Pooling für die Gruppe gemacht hatte, verfügte ebenfalls noch über Geld. Die “produktiven Units” dagegen hatten nix. Schade.
Es kommt also in Konzerninsolvenzen auch oft zu sehr unterschiedlichen Quoten bei den jeweiligen GmbHs.
Unter dem Strich, wie so oft eine schöne Folge.
-Sascha
Das war eine wirklich interessante Sendung. Ulrich – gut rüber gebracht.
O-Ton eines bekannten Insolvenzverwalters: 80% der Unternehmensinsolvenzen sind wirtschaftlich nicht notwendig. Dabei hat er wohl etwas übertrieben, aber wir sollten mal darüber nachdenken wie wir unsere Wirtschaft so gestalten, dass sie für die Mehrheit der Menschen da ist.
Habe die Folge erst gestern gehört und fand sie toll. Ich arbeite selbst ehrenamtlich in einer Schuldnerberatung. Dass die Leute leider oft viel zu spät kommen (ich rede nur über Verbraucherinsolvenzen), ist leider wahr.
Übrigens gibt es einige Schulden, derer man sich auch durch Privatinsolvenz nicht entledigen kann, z.B. Schulden aus Straftaten oder Schulden als Selbständiger bzw. aus einer früheren Tätigkeit als Arbeitgeber (also evtl. Rückstände bei Sozialversicherungen, Finanzamt).
Sehr interessant, auch weil es bemerkenswert viele Unterschiede zu anderen Ländern gibt. In der Schweiz beispielsweise gibt es verschiedene Gläubigerklassen – das heisst bestimmte Gläubiger werden bevorzugt –, und private Schuldner werden ihre Schulden häufig lebenslang nicht mehr los. Geschäftliche Schuldner, das heisst juristische Personen, gehen Konkurs und machen danach mit einer neuen Gesellschaft fröhlich weiter. Als Gläubiger muss man sich schützen: Anzahlungen oder Vorschüsse, konsequentes Inkasso, …
Kriminelle Schuldner werden leider kaum je bestraft: Die Gläubiger müssen für die rechtlichen Schritte bezahlen, was sich selten lohnt, und wer nicht über Insiderwissen verfügt – beispielsweise geschädigte Mitarbeiter des Schuldners – verfügt sowieso nicht über genügend Beweise. Frustrierend!
@Ulrich, Holgi: Keine Unfallversicherung beziehungsweise ohne allenfalls notwendige zusätzliche Reiseversicherung auf Ferien im Ausland, war das ernst gemeint?
Für Deutsche, die häufig in der Schweiz im Urlaub sind, ein Tipp: Bei der Schweizerischen Rettungsflugwacht (Rega) kann man ab 30 Franken pro Jahr so genannter Gönner werden. Damit sind dann viele Rettungsleistungen faktisch abdeckt, gerade auch die in den Alpen oder bei schweren Verkehrsunfällen häufigen Helikopter-Rettungen, die erheblich ins Geld gehen können.
Sehr schöne Sendung, habe sie gestern erst gehört.
Ich habe immer gehofft das Du Ulrich auch mal auf Mt.Gox ansprichst – aber vielleicht wäre dieses Thema besser für eine eigenständige Folge geeignet. Vielleicht hat er ja nochmal Zeit 🙂
Sehr interessantes Beispiel. Immer wieder erstaunlich, was Geschäftsführer alles falsch machen können. Vielleicht sollte man da lieber eine M&A Beratung suchen, bevor man die Firma in den Sand setzt.