WR1431 Zeitenwende bei den Wirtschaftsweisen

Mit Rüdiger Bachmann und Christan Bayer.

Darin das Jahresgutachten des SVR, die Erzeugerpreise sinken, Reinhart, Rogoff: Growth in a Time of Debt, ifo: Viele Industriefirmen senken Gasverbrauch ohne Produktion zu drosseln, IWH: Wirtschaftliche Folgen des Gaspreisanstiegs für die deutsche Industrie.

10 Gedanken zu „WR1431 Zeitenwende bei den Wirtschaftsweisen

  1. Titus von Unhold

    Wohnen auf dem Land: Das erledigt sich von alleine. Auf dem Hunsrück (und in anderen ruralen Gebieten) gibt es Ortsgemeinden die haben fast 40% Leerstand und einen Altersmedian von fast 70. Das und auch die Lage sorgen dafür dass diese Kommunen auch finanziell nie mehr auf die Beine kommen können. Wenn ein Meter Abwasserkanal 600 Euro kostet und die nächste Kläranalge 16 Kilometer weg ist, sind die Kosten pro Kopf die umgelegt werden müssen. Wenn das Dorf nur 2.000 statt 20.000 EW hat, sieht das übel aus. Auch weil z. B. in Sachsen auf dem Dorf mehr als die Hälfte der Bevölkerung (34% aller Beschäftigten) zu Mindeslohn arbeitet.

    ALG II: Von den Leistungsbeziehern sind zwei Drittel überhaupt gar nicht arbeitslos. Der Rechtskreis umfasst auch alle durch Erkrankung dauerhaft arbeitsunfähigen Menschen die zwischen Rentenkasse und Arge hin und her geschoben werden, alle Aufstocker die mit sozialwidrigen Löhnen ausgebeutet werden (Marxistischer Gruß an Rüdiger o/), prekär Selbständige deren Einkommen nicht ausreicht, Alleinerziehende ohne Kinderbetreuung (siehe Finanzlage der Kommunen und “Personalmangel” durch Lohnmangel), Rentner mit Minirente, behinderte Menschen die nie einen Chance auf eine Arbeit haben, pflegende Angehörige, etc. Die werden genauso gegängelt wie alle anderen.

    Und von den 40% die denn “mindestens 15 Stunden in der Woche” arbeiten könnten, haben akute Vermittlungshemnisse. Unerkannte oder erkannte und nicht behandelte (Fehlendes Geld für psychotherapeutische Kassensitze, hahahahaha (Galgenhumor)) psychische Erkrankungen, Sprachhemnisse, ungeklärter oder schwebender Aufenthaltsstatus wie die Duldung. Das größte Problem ist aber dass die Ausbeuter die sich Arbeitgeber nennen (Leninistischer Gruß an Rüdiger o/) absolut gar keinen Bock hat in solche Menschen zu investieren.

    Wenn ich Helena Steinhaus von Sanktionsfrei zuhöre, könnte ich Schreikrämpfe bekommen.

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  2. Abkueko

    Zum ALG und Sanktionen:
    Das Problem lässt sich so theoretisch wie skizziert kaum lösen. Ganz ohne Sanktionen ist es schwer. Denn die Leute nur in Ruhe zu lassen wäre oft eher dysfunktional und drohende Sanktionen können die Mitwirkungsbereitschaft erhöhen.
    ABER: Das Problem war bislang immer, dass man zwar die Sanktionsdrohung hat, aber man nichts gescheit damit anfing. Es gibt genug Leute denen die Ressourcen fehlen. Psychische Probleme, fehlende Qualifikationen, Probleme in der Lebensführung usw. – man müsste diese Menschen viel zielgerichteter an die Hand nehmen und dementsprechend fördern. Also auch zum Teil gerichtet ein hoher Aufwand je Fall. Da wären viel mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Der Sanktionsdruck könnte helfen die Leute dazu zu bekommen sich dort helfen zu lassen. Nur genau diese Hilfe findet nicht statt. Qualitativ schlechte Trainings (das bekannte Bewerbungstraining) mit der Gießkanne zu verteilen ist genau das Falsche. Dann machen auch Sanktionen keinen Sinn.

    Zu den Alten: Ja, das ist ein gar nicht so geringes Problem. Ich habe genug Fälle erlebt an Leuten die ab Mitte/Ende 50 nicht mehr in ihrem bisherigen Job arbeiten konnten und ihrerseits dann auch überhaupt keine Vorstellung bestand für z.B. 5 Jahre nochmal etwas anderes zu machen. Insbesondere wenn dies weniger Einkommen bedeuten würde. Da ist dann eine “ganz oder gar nicht” Haltung zu beobachten. Allerdings sind auch diese Menschen oft gut erreichbar und Sanktionen dürften so gut wie nie wirklich erforderlich sein.

    Zu den unbegründeten Sanktionen: Holgi äußerte 70% der Sanktionen würden von Gerichten als unberechtigt bewertet werden und das seien ja nur die, bei denen geklagt würde. Tatsächlich ist der zweite Teil die Antwort. Es wäre ja grundsätzlich zu vermuten, dass gegen berechtigte Sanktionen nicht geklagt wird. Wie hoch die Quote tatsächlich ist, ist daher kaum feststellbar. Auch müsste man dann genauer schauen wie viele der Sanktionen aus inhaltlichen Gründen falsch waren und bei wie vielen es sich um einen Formfehler oder ein falsches Ausmaß handelt. Ich habe keine Idee wie hoch die Quote wirklich ist.

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  3. Anne

    Ein altes Sprichwort sagt: “Einen alten Baum verpflanzt man nicht.”
    Ein Umzug in eine kleinere Wohnung wäre für die meisten älteren Menschen eine enorme psychische Belastung. Weg von Nachbarn, die man kennt und unter denen man sich hilft, weg von Stadtteil- oder Dorfgemeinschaft oder der Kirchengemeinde und ihren sozialen Kontakten ist nicht zumutbar. Auch das über Jahrzehnte bewohnte Eigenheim bedeutet Heimat und bei den Ärmsten der Armen wird jetzt über zu viel Wohnraum gesprochen und über Vermögensabgaben, obwohl es hier bestimmt nicht viel zu holen gibt.
    Wo bleibt die Diskussion über kleinere Wohnungen für Superreiche, weil nicht nur deren hoher Energieverbrauch unseren Planeten zu stark belastet, sondern die auch in der Lage wären, sich solidarisch zu beteiligen, damit es Allen besser geht.

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    1. Devid

      > Weg von Nachbarn, die man kennt und unter denen man sich hilft, weg von Stadtteil- oder Dorfgemeinschaft

      Das ist auch ein Problem, wie wir bauen.
      Wenn Familien, sofern es geht, in Einfamilienhaussiedlungen leben – oder es Blockbau bei Wohnungen alle mit “gleichen” Grundriss gibt, ist so etwas prinzipiell so.
      Wie schön wäre es, wenn es in einem Komplex (ideal im selben Hauseingang) Wohnungen für alle Lebenslagen geben würde. Von der 5köpfigen Familie (natürlich nur 1 pro Haus zb) bis hin zur Rentner-Witwe…. dann könnte nämlich “innerhalb” gut umgezogen werden, ohne eben alle Kontakte zu verlieren.
      Wenn der Wohnraum natürlich so knapp ist (und so knapp kalkuliert), daß man sogar stadtteilübergreifend suchen muß, um überhaupt etwas zu finden, ist das eben das Problem…

  4. Manuel

    Klimageld und Leben auf dem Land:

    Ich bin mir an der Stelle nicht sicher, ob man die hinter der ganzen Diskussion stehende Prämisse, nämlich dass Leben auf dem Land immer einen höheren CO2-Ausstoß haben muss so richtig ist.

    Der CO2-Rechner des UBA https://uba.co2-rechner.de/de_DE/ unterteilt den CO2-Ausstoß in mehrere Faktoren:

    Wohnen & Strom
    – Auf dem Land sind die Häuser meist größer, dafür hat man mehr Wohneigentum -> mehr Solaranlagen auf den Dächern (sieht man in manchen Dörfern auf jedem 2ten Dach, in Städten eher selten), mit besser Dämmung und z.B. Wärmepumpen kann man auch auf dem Land relativ CO2-neutral Wohnen.

    Mobilität
    – Hier ist einer der größeren Unterschiede, auf dem Land ist das mit dem ÖPNV oder dem Fahrrad nicht so einfach. Hier kommt natürlich so etwas wie E-Mobilität deutlich mehr zu Zuge, z.B. mit Strom aus der eigenen Solaranlage, in ein paar Jahren vielleicht auch besserer ÖPNV durch autonome Kleinbusse oder Ähnliches.

    Ernährung
    – Nicht leicht zu sagen, es gibt ein paar Vor- und Nachteile. 1. Nahrung kommt aus der Landwirtschaft, diese findet größtenteils auf dem Land statt. 2. Längere Anfahrt zum Supermarkt (siehe Mobilität)

    sonstiger Konsum
    – Nachteil: längerer Anfahrtsweg, ansonsten ähnlich wie in der Stadt.

    Öffentliche Emissionen
    – Sollte ähnlich wie in der Stadt sein.

    Wo ich tatsächlich eher Probleme kommen sehe sind die Kleinstädte. Es sind eben Städte, also dichter bebaut und weniger Wohneigentum, aber die Mobilität ist eher wie auf dem Dorf.

    Ansonsten guter Podcast, höre ich immer sehr gerne, weiter so.

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  5. Christine

    Ich will @Anne in Teilen widersprechen: Die Wohnungsnot junger Familien könnte durch den Tausch von Wohnungen mit alten Menschen stark gemindert werden. Viele Alte sind auch von der schieren Fläche und den Energiekosten überfordert. Ich finde diesen Hebel als wichtigen Ansatz. Vielleicht lässt sich mit einem Wechsel in eine kleinere Wohnung auch noch die selbstbestimmte Zeit vor einem evtl Altersheim verlängern? Natürlich sollten solche Aktionen nicht aus einem Zwang heraus geschehen, aber ich habe schon mehrfach von erfolgreichen Initiativen gehört, die einen (wohnortnahen) Wechsel/Tausch ermöglichen.

    Die Sache mit Stadt/Land: Hier muss man unterscheiden zwischen ländlichen Regionen mit guter Infrastruktur, die relativ dicht besiedelt sind. Und Gegenden mit sehr weit verstreuter Besiedlung. Gegenden wie die Eifel, Hunsrück, Vorpommern sind wirklich sehr sehr dünn besiedelt, was ein ökonomisches Leben schwer macht: Wenn man schon zum Kindergarten ne halbe Stunde mit dem Auto unterwegs ist, ergibt das keinen Sinn mehr.
    Aber Zwangsumsiedlungen um Landstriche zu räumen erinnert mich an die Räumungen durch die RWE (–> Lützerath). Ich sehe das Problem, aber keine würdige Lösung.

    Bürgergeld/Hartz4: Grundsätzlich finde ich es zu kompliziert. Die Anträge sind so verwirrend, dass da nicht mal die Sachbearbeiter durchsteigen. In meinen Augen wäre ein wichtiger Schritt getan, wenn KISS (keep it simple stupid)

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  6. frank paulsen

    eine kurze anmerkung zu Christians “Trick”, sich ueber den hohen freibetrag in die altersrente zu retten:

    auch das Bürgergeld wird nachrangig gezahlt werden, der betroffene wird also aufgefordert, erst andere sozialleistungen wie Wohngeld, Kinderzuschlag, aber auch eine Altersrente zu beziehen

    fuer die typischen “Kunden” am ende ihres erwerbsleben bedeutet das, dass sie in der regel genug versicherungsjahre haben, um _vorzeitig_ in die rente gehen, und genau das wird das Jobcenter von ihnen verlangen. dabei werden die rentenbezuege dauerhaft gekuerzt, und es ist extrem fraglich, ob sich ein derartiger stunt ueberhaupt lohnen kann.

    unter dem dem titel “Zwangsverrentung” ist das leider auch jetzt schon ein thema, bei antragstellern ueber 55 wird das ganz regelmaessig geprueft und auch durchgesetzt.

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  7. Karin Kunnte

    Hallo zusammen,

    ich würde mich total freuen wenn ihr mal auf das Thema “Merit-Order” zu sprechen kommen würdet.

    1, WARUM ist das absolut notwendig und in Stein gemeisselt um den Strommarkt stabil zu halten ?
    2. WARUM kann man das nicht einfach gegen die üblichen Marktregulatorien austauschen (Wasser-Strom = billig, Gas-Strom = teuer) ?
    3. WAS würde passieren wenn die EU ab morgen sagt: unregulierter Energiemarkt ohne Merit-Order ?

    Ich versuche seit Monaten das zu verstehen um da besser gegen die populistischen “die da oben”-Schimpfer argumentieren zu können, aber irgendwie fehlt mir da bisher das fachliche Rüstzeug.

    lG
    Karin

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