WR1298 Dschingis Khan

 

Das mongolische Reich war das zweitgrößte der Welt. Matthias von Hellfeld erzählt.

Die passende Ausgabe “Eine Stunde History” läuft am 8. November 2021 auf DLFnova.

2 Gedanken zu „WR1298 Dschingis Khan

  1. Norbert

    Das wird wieder mal ein längerer Kommentar. Daher zur Untermalung ein kleines, mongolisches Loblied auf Dschingis Khan: https://youtu.be/pD1gDSao1eA (Text auf Englisch in der Beschreibung/den Untertiteln, kurze Begriffserklärung: “Tengri” bzw. “der Blaue Himmel” = Hauptgott der Steppenvölker Asiens vor Übernahme von Buddhismus bzw. Islam; Gerek = Ein im gesamten Reich gültiger Passierschein, da geht’s um Reisefreiheit)

    Hunnen und Mongolen:
    Was haben die Mongolen mit den Hunnen zu tun? Sehr wahrscheinlich nichts. Etwa 1000 Jahre vor den Mongolen lebten die Xiongnu [ɕjʊ́ŋ.nǔ] in etwa der selben Gegend. Diese haben viele Kriege mit China geführt, bis sie im Laufe des 3. Jh. aus den chinesischen Chroniken verschwinden. So 100 – 150 Jahre später tauchten dann die Hunnen in Europa auf. Aufgrund der Namensähnlichkeit wurde immer wieder mal vermutet, dass beide Völker identisch sind, Belege dafür gibt es derzeit nicht.

    Zur Bevölkerungsdichte im Mongolenreich fallen mir 3 Punkte ein:
    1) Damals gab es natürlich wesentlich weniger Menschen auf der Welt. Die gesamte Erde war sozusagen “kaum bewohnt”
    2) Die Kriege zur Schaffung dieses Reiches haben etwa 40Mio Todesopfer gefordert. Die fehlten natürlich an der Gesamtbevölkerung (dazu ein kleines Video, der relevante Ausschnitt ist ca. 1min lang: https://youtu.be/DwKPFT-RioU?t=804 ; ein Vergleich der Totesopfer mehrerer Kriege, Aufstände, Gewaltherrschaften usw. mit WK2, der Mongolensturm ist Punkt 3 auf der Zeitachse)
    3) In seiner größten Ausdehnung erstreckte sich das Reich von Weißrussland bis Korea und im Süden bis in den Iran und an die Nordgrenze Vietnams, und beherrschte unter anderem die gesamte Seidenstraße. Damit umfasste es einige der am dichtesten besiedelten Gebiete und bedeutensten Städte der damaligen Welt.

    Verwaltung:
    Die relativ stabilen Verhältnisse während der Pax Mongolica lassen sich ohne eine starke Verwaltung eigentlich nicht erklären. Die Mongolen haben z.B. ein sehr effizientes Postsystem eingerichtet, und damit nebenbei die erste ständige Postverbindung zwischen Asien und Europa geschaffen. Auch hatten sie die höhere Gerichtsbarkeit reichsweit vereinheitlicht, ebenso wie das Steuersystem. Den Zustand der Verwaltung in der Spätphase des Reiches kann man bei Marco Polo nachlesen, der nach eigenen Angaben von Kublai Khan, einem Enkel Dschingis Khans und fünftem Großkhan der Mongolen, zum Beamten gemacht worden war.

    Eigentum:
    Dass es kein Privateigentum gegeben hat ist sicher ein Missverständnis. Eventuell gab es kein Privateigentum an Weidegrund. Auch dominierte in den meisten bedeutenden Bevölkerungszentren des Reiches der Ackerbau, der funktionierte damals nicht ohne Privateigentum (bzw. ohne Lehenswesen). Dieser Paragraph aus dem von Dschingis Khan eingeführten Gesetzbuch kling jedenfalls anders: “Der Mann, in dessen Besitz ein gestohlenes Pferd gefunden wird, muss es seinem Besitzer zurückgeben und neun Pferde derselben Art hinzufügen. Ist er nicht in der Lage, die Strafe zu zahlen, so sollen seine Kinder anstelle der Pferde genommen werden, und wenn er keine Kinder hat, soll er selbst wie ein Schaf geschlachtet werden.”

    Untergang des Reiches:
    Letztlich ist das Reich an den großen Entfernungen gescheitert. Kublai Khan fiel es bereits sehr schwer, von seiner Hauptstadt Peking aus das Geschehen an der Wolga oder in Bagdad zu beeinflussen, sein Amtsnachfolger Timur Khan war der letzte Khagan, dem das überhaupt noch gelang. Ab da zerfiel das Reich in immer kleiner Teilreiche, die im Podcast erwähnte Goldene Horde war eines davon. Das Khanat Krim war wiederum eine Abspaltung der Goldenen Horde.

    Buddhismus:
    Der mongolische Buddhismus ist ein Zweig des tibetischen Buddhismus. China spielt nur deswegen eine Rolle, weil die Mongolen Tibet 1240 erobert hatten, und es dann dem chinesischen Reichsteil (Yuan-Dynastie) zuschlugen. Dass sowohl Tibet als auch die Mongolei dadurch Teil des selben Staates waren, hat die Missionsarbeit sicher erleichtert. Durchgesetzt hat er sich aber erst im 16. Jh, lange nach dem Ende des mongolischen Reiches und zu einer Zeit, als die Mongolei nicht unter direkter Kontolle Chinas stand.

    Antworten
    1. Michael

      Wow, das ist mal ein ausgiebiger, interessanter Kommentar!

      Eine kleine Korrektur zum im Podcast Gesagten:

      Die Hunnen waren im neunten Jahrhundert, als die Schlacht auf dem Lechfeld geschlagen wurde, längst aus der Geschichte verschwunden. Die Schlacht fand gegen die Ungarn statt.

      Etwas gemein haben alle diese Völker dann doch wieder: Es sind alles eher weniger sesshafte Reitervölker aus der Steppe.
      Europa wurde immer wieder von solchen eher nicht sesshaften Reitervölkern aus den östlichen Steppen heimgesucht, uA. sind da (vermutlich)

      – vor ca 4000 – 5000 Jahren: Indogermanen aus der ukrainischen Steppe
      – Im 5. Jahrhundert Hunnen aus dem Gebiet der Mongolei
      – Im 9. Jahrhundert Ungarn aus den Steppen vor dem Ural
      – Im 12. Jahrhundert Mongolen aus der Mongolei
      – Im 14. Jahrhundert Türken ebenfalls von dort

      Eine schönes Buch dazu ist von Darwin: “Der imperiale Traum”

      Danke für den interessanten Podcast!

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