Im Jahr 975 werden die Regensburger Domspatzen gegründet. Matthias von Hellfeld erzählt.
Die passende Ausgabe “Eine Stunde History” läuft am 7. September 2020 auf DLFnova.
Im Jahr 975 werden die Regensburger Domspatzen gegründet. Matthias von Hellfeld erzählt.
Die passende Ausgabe “Eine Stunde History” läuft am 7. September 2020 auf DLFnova.
Ich fürchte, zum Thema “Gewalt an Kindern in der Bibel” hat Matthias ein reichlich idealisiertes Bild des Christentums. Hier ein paar Textstellen:
“Wer seine Rute spart, haßt seinen Sohn, aber wer ihn lieb hat, sucht ihn früh heim mit Züchtigung.” – Sprüche 13,24
“Wenn ein Mann einen unbändigen und widerspenstigen Sohn hat, welcher der Stimme seines Vaters und der Stimme seiner Mutter nicht gehorcht, und sie züchtigen ihn, aber er gehorcht ihnen nicht: so sollen sein Vater und seine Mutter ihn ergreifen und ihn zu den Ältesten seiner Stadt und zum Tore seines Ortes hinausführen, und sollen zu den Ältesten seiner Stadt sprechen: Dieser unser Sohn ist unbändig und widerspenstig, er gehorcht unserer Stimme nicht, er ist ein Schlemmer und Säufer! Und alle Leute seiner Stadt sollen ihn steinigen, daß er sterbe; und du sollst das Böse aus deiner Mitte hinwegschaffen.”
5 Mose 18,18-21
“Entziehe dem Knaben nicht die Züchtigung; wenn du ihn mit der Rute schlägst, wird er nicht sterben. Du schlägst ihn mit der Rute, und du errettest seine Seele von dem Scheol.” (Die Unterwelt)
Sprüche 23, 13-14
“Ihr habt noch nicht, wider die Sünde ankämpfend, bis aufs Blut widerstanden, und habt der Ermahnung vergessen, die zu euch als zu Söhnen spricht: ‘Mein Sohn! Achte nicht gering des Herrn Züchtigung, noch ermatte, wenn du von ihm gestraft wirst; ‘denn wen der Herr liebt, den züchtigt er; er geißelt aber jeden Sohn, den er aufnimmt.’ Was ihr erduldet, ist zur Züchtigung: Gott handelt mit euch als mit Söhnen; denn wer ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt? Wenn ihr aber ohne Züchtigung seid, welcher alle teilhaftig geworden sind, so seid ihr denn Bastarde und nicht Söhne. Zudem hatten wir auch unsere Väter nach dem Fleische zu Züchtigern und scheuten sie; sollen wir nicht viel mehr dem Vater der Geister unterwürfig sein und leben? Denn jene freilich züchtigten uns für wenige Tage nach ihrem Gutdünken, er aber zum Nutzen, damit wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden. Alle Züchtigung aber scheint für die Gegenwart nicht ein Gegenstand der Freude, sondern der Traurigkeit zu sein; hernach aber gibt sie die friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt sind.”
Hebräer 12, 6-11
Klar, liberale Christen finden sicher auch Bibelstellen, die einen gewaltlosen Umgang mit Kindern rechtfertigen, aber auf jeden Fall eignet sich die Bibel dazu, Gewalt gegen Kinder zu rechtfertigen. Das ist ja auch nicht verwunderlich: sie ist eben ein Text, der die Moral seiner Zeit spiegelt. Eine Überhöhung ist da fehl am Platze.
Danke für die tolle Folge. Beim Geschichtsunterricht hör ich immer unglaublich gern zu.
Zwei Anmerkungen:
1) Der Zölibat
Matthias suggeriert an einer Stelle, dass das zölibatäre Leben der katholischen Priester, ein Faktor sei, der die Missbrauchsfälle begünstigt. Ich halte das für eine sehr schwierige These. Die katholische Kirche hat natürlich überhaupt kein Mitleid verdient, so wie sie mit diesen Fällen umgegangen ist, sie vertuscht hat und die Täter schützt. Aber zu behaupten, der Zölibat sei ein wesentlicher Grund, unterstellt ja, dass man aufgrund so eines Lebensstils plötzlich eher dazu neigt, ein Unmesch zu werden, Verbrechen zu begehen und Menschen körperlich und seelisch fürs Leben massiv zu schaden. Ich halte das für einen boulevardesk-hämischen Reflex, denn ich habe bisher nirgends irgendwelche Daten gesehen, die diese Schlussfolgerung nahelegen würden.
Viel plausibler finde ich die von euch ja auch gemachte Feststellung, dass wir es bei der katholischen Kirche mit einer in sich geschlossenen Parallelgesellschaft mit unheilvollen Machtstrukturen und einem gestrigen Gehorsamsethos zu tun haben, die es eben begünstigt, dass solche Missbrauchsfälle ungestört stattfinden können.
2) Kinder schlagen steht nicht in der Bibel
Leider doch.
Spr 13,24: Wer seine Rute schont, der haßt sein Kind; wer es aber lieb hat, läßt es früh die Züchtigung fühlen.
Hebr 12,7f.11: Haltet standhaft aus, um euch erziehen zu lassen! Gott verfährt mit euch wie mit Söhnen; denn wo wäre wohl ein Sohn, den sein Vater nicht züchtigt? Wenn ihr dagegen ohne Züchtigung bliebet, die doch allen zuteil geworden ist, so wäret ihr ja unechte Kinder und keine Söhne. (…)
Jede Züchtigung scheint uns freilich für den Augenblick nicht erfreulich, sondern betrübend zu sein; hinterher aber läßt sie denen, die sich durch sie haben üben lassen, die friedvolle Frucht der Gerechtigkeit erwachsen.
Ein weiterer guter Grund, weshalb es dummes Zeug ist, die Bibel als wortwörtlichen Maßstab für sein Leben benutzen zu wollen.
Disclaimer: Ich bin evangelischer Theologe.
Zum Zölibat: Schwieriges Thema. Ich denke nicht, dass der Zölibat plötzlich dazu führt, dass ein Mensch mit gesunder Sexualität sich plötzlich an Kindern vergreift. Anderseits bin ich der Meinung, dass das katholische Priesteramt mit seinem Verbot der praktizierten Sexualität vielleicht eine Sogwirkung auf junge Männer hat, die – bewusst oder unbewusst – fühlen, dass sie Schwierigkeiten mit ihrer Sexualität haben. Das mögen dann zum Teil einfach verklemmte junge Männer sein (hetero/homo), zum Teil aber auch Männer mit bestimmten Veranlagungen. Anders gesagt: Ein Priester fängt nicht plötzlich an Kinder zu misshandeln, weil es den Zölibat gibt, sondern der Zölibat lockt Menschen mit “schwieriger” Sexualität an. Das sind aber nur meine Gedanken dazu, bin kirchlicher Laie und schaue von außen auf die Kirchen.
@quinoa
Natürlich lässt sich diese Möglichkeit nicht ausschließen. Es wird aber gern als quasi selbstverständlicher Punkt dargestellt, obwohl wir das halt wirklich nicht wissen. Man müsste dazu ja eine repräsentative Studie mit Priestern machen und die dann mit einer ebensolchen Studie unter der Restbevölkerung abgleichen. Eine solche Studie gibt es meines Wissens nicht.
Ich glaube im Übrigen nicht, dass eine “schwierige Sexualität” einen eher dazu neigen lässt, Priester zu werden. Ich halte solche Lebenswegentscheidungen für viel zu komplex und individuell, als dass man da die Sexualität als einen derart singulär wichtigen Faktor ausmachen könnte – aber auch für diese Einschätzung habe ich natürlich keine Datenbasis.
Es gibt im Übrigen ja durchaus Menschen, die in der katholischen Kirche arbeiten, auch als Prediger, in der Jugendarbeit usw., die keine Priester sind, also nicht dem Zölibat unterstehen. Vor diesem Hintergrund wäre es dann interessant, die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche entsprechend des Berufs der jeweiligen Täter aufzuschlüsseln.
Ein weiterer Grund für mich, mich zu fragen, wie ich überhaupt so lange die Bibel als Maßstab für mein Leben in Erwägung ziehen konnte.
Disclaimer: ich bin Exchrist.
Selten so heftiges Katholikenbashing gehört wie in dieser Folge. Dass nur Atheisten normale Menschen sind, hört man bei WRINT ja öfter. Aber hier konnte man den Eindruck bekommen, die Kirchen gäbe es nur, um Leute zu versammeln, die Kinder schänden wollen. Kaum sind die Kirchentüren zu, geht’s los.
Interessanterweise sind gerade katholische Kirchen ja tagsüber generell offen, kann also jeder rein und schauen, was dort passiert. In Messen und zu sonstigen Veranstaltungen kann auch jeder gehen, ohne gefragt zu werden, ob er oder sie getauft ist. Parallelgesellschaft wie Holgi das nennt ist das also höchstens, weil die meisten Leute zu faul sind hinzugehen, und so nur ein kleiner Bruchteil der Bevölkerung dort ist. Aber das ist zu ähnlich zu vielen Bereichen des Lebens, wie beispielsweise Sportclubs, Musikschulen, Rundfunkstudios und Forschungsinstituten. Alles Parallelgesellschaften!
Die verschleppte Aufarbeitung ist natürlich ein Skandal, der auch immer angesprochen gehört. Aber im Vordergrund steht diese Problematik trotzdem nicht, wie Matthias als erklärter Nichtkatholik behauptet. Jedenfalls in den Gemeinden, die nicht direkt von dem Problem betroffen waren, ist das nicht der Fall. Dort ist man eher froh über die Kita-Betreuung der Kinder, die dort organisierte Gemeinschaft der Senioren, spielende Kinder auf dem Kirchgrundstück, ärgert sich über die langweilige Predigt (oder freut sich über eine gute, kommt auch vor!), genießt die Musik in der Kirche (geht auch in Gemeinden ohne Domspatzen), freut sich über die schöne Taufe oder Hochzeit, usw. Nur die Medien erwähnen die katholische Kirche ausschließlich noch im Zusammenhang mit Missbrauch, weil normales Gemeindeleben ja auch zu langweilig ist um berichtenswert zu sein. Danke, dass ihr immerhin im Nebensatz erwähnt, dass es auch eine andere Seite gibt.
Wenn Sie bei WRINT schon öfter gehört haben, “dass nur Atheisten normale Menschen sind, ” können Sie uns doch sicher ein Beispiel nennen, oder?
Etwas versteckt hinterm Domspatzennest wird hier (und bei Eine Stunde History) eines von mehreren übelriechenden Fässern aufgemacht. Freuen wir uns, dass das noch möglich ist! Zumindest bei mir in Mitteldeutschland haben es die wenigen verbliebenen Christen geschafft, deutlich überproportional im Rundfunkrat vertreten zu sein.
https://www.heise.de/tp/features/ARD-und-ZDF-Kirchliche-Moralwaechter-sind-immer-dabei-3549584.html
Ob die Parallelgesellschaft schon bis in die Rundfunkstudios reicht, müsste Holgi mal recherchieren.
Für weitere Fässer hat sicher auch die Zeit nicht gereicht. Ich denke da an:
https://hpd.de/artikel/diskriminierungsverbot-gilt-auch-fuer-kirchen-16524
https://hpd.de/artikel/bischofskonferenz-kommt-entschaedigungsforderungen-betroffener-nicht-nach-17816
https://www.wiwo.de/politik/deutschland/wohlfahrtsverbaende-caritas-und-diakonie-bedienen-sich-beim-staat/7397380.html
https://weltanschauungsrecht.de/meldung/staatsminister-kommentar-gesetz-abloesung-staatsleistungen
„Ob die Parallelgesellschaft schon bis in die Rundfunkstudios reicht“
Zumindest nicht in das, in dem ich arbeite (und das liegt nicht an mir) 🙂
Parallelgesellschaft trifft es insofern, als dass der institutionelle Teil von Kirche bei der katholischen Kirche nunmal reichlich intransparent ist und offensichtlich die Möglichkeiten für die Gesamtgesellschaft, rechtlich zu intervenieren, sehr beschränkt sind. Das ist ein strukturelles Problem und diesen Vorwurf muss sich die katholische Kirche schon gefallen lassen. Und ich halte tatsächlich auch in Teilen die der katholischen Kirche zugrundeliegenden theologischen Grundaussagen für mitverantwortlich dafür, dass diese Struktur so entstehen konnte.
Das heißt natürlich nicht, dass es nicht auch reichlich bereicherndes Gemeindeleben und viel Gutes gibt, das vielerorts durch die katholische Kirche entsteht. Ich sehe aber schon auch die “einfachen” Gemeindeglieder in der Verantwortung, die Strukturen der katholischen Kirche so umzugestalten, dass solche Fälle seltener und der Umgang damit verantwortungsvoller wird.
“Parallelgesellschaft wie Holgi das nennt ist das also höchstens, weil die meisten Leute zu faul sind hinzugehen, und so nur ein kleiner Bruchteil der Bevölkerung dort ist. Aber das ist zu ähnlich zu vielen Bereichen des Lebens, wie beispielsweise Sportclubs, Musikschulen, Rundfunkstudios und Forschungsinstituten. Alles Parallelgesellschaften!”
Nunja. Wenn im Sportclub oder der Musikschule (hypothetisch) großflächig Fälle von Kindesmissbrauch ans Licht kämen, würde sich der Staat vermutlich nicht mit “wir versetzen den intern, der macht das ab jetzt in einem anderen Dorf” zufrieden geben. Parallelgesellschaft ist per se nichts schlimmes, aber nicht für das Strafrecht zugänglich sein ist halt No-Go und die Kirche sollte ein starkes Interesse daran haben. Wenn sie den Eindruck vermitteln dass sie das Problem nicht im Griff hat, sehe ich wie Matthias ein Nachwuchsproblem für die Kirchen und das erscheint mir auch gut so. Die Parallelgesellschaft schrumpft.
Ich möchte gern den Täterkreis erweitern. Auch in der evangelischen Kirche, insbesondere auf Jugendfreizeiten / bei den Pfadfindern gab es Missbrauch. Das sind nicht nur die Katholen.