Lehrer Thomas Brandt erteilt mir Politikunterricht. In der sechsten Stunde machen wir weiter* mit unserem soziologischen Exkurs. Ich lerne, was Soziologie überhaupt will.
Ausführliche Shownotes und Flattr-Buttons gibt’s Thomas’ Blog.
*Ich habe Mist gebaut und beim letzten Mal die falsche Sendung veröffentlicht. Inhaltlich macht das nicht wirklich was, aber eigentlich hätte diese Sendung vor WR339 gehört.
Schade, dass diese Sendung so kurz und Thomas’ Stimme manchmal durch Artefakte unverständlich ist. Sonst sehr interessant.
Ja, sorry für das miese Audio. Demnächst (nach dem Exkurs) wird das alles deutlich besser.
Auch von mir, sorry. Es wird wirklich viel besser.
Ich finde ja, dass die Soziologie überall dort eine spannende Wissenschaft ist, wo sie sich eben nicht als rein empirische Wissenschaft versteht. Dazu zählen für mich beispielsweise Krisenexperimente, die einen eher interpretativen Charakter haben, oder auch weitere Ansätze interpretativer Sozialforschung wie sie beispielsweise Goffman angewandt hat. Teilweise bin ich sogar erstaunt über die Lobpreisung empirischer Sozialwissenschaften, da vor allem die Soziologie die vielfältigen Probleme hervorhebt, die beispielsweise durch Anordnung und Formulierung von Fragestellungen entstehen können.
Ich selbst habe im letzten Semester ein eigenes interpretatives Design vorbereitet, das ich im Rahmen des Seminars leider aus Zeitgründen nicht ausformuliert bekam. Aus einem Interesse an Verhalten in Bussen in ÖPNV entwickelte ich erst ein Interesse an altersbezogenen Höflichkeitsnormen und wurde mir dann gewahr, dass es eine explizit altersspezifische Sitzplatzverteilung gibt. Ich überlege in diesem Kontext, sowohl über Krisenexperimente als auch über Expertengespräche z.B. mit Busfahrern hier ein komplett neues Forschungsfeld aufzutun – quasi altersspezifische Segregation im öffentlichen Raum.
Was Ich daran so spannend finde: Darauf gestoßen wirkt es für jeden vollkommen selbstverständlich, jeder hat persönliche Erfahrungen gemacht. Nur systematisch erforscht wurden sie nie
Ich habe das in der Sendung nicht so deutlich gesagt, aber der Dualismus zwischen Theoriebildung und empirischer Überprüfung/Grundlagengenerierung, den du hier ansprichst ist für mich auch der Reiz. Nur mit Theorie und Empirie zusammen kannst du ein relevantes Bild von sozialen Abläufen und Bedingungen aufbauen.
Danke für den tollen Kommentar. 🙂 Das mit dem ÖPNV kenne ich auch. Ich habe hier in meiner Gegend einen Bus, der eine relativ eingeschränkte Benutzerzahl hat, und je nach Tageszeit sitzen die selben Leute immer am selben Platz. 🙂 Sehr spannend.
Ich finde der relevante Part besteht im Methodenmix: Grundannahmen, Überlegungen etc interpretativ erforschen und deren gesellschaftliche Relevanz danach möglichst offen quantitativ erheben. Mein Problem ist dabei allerdings, dass alles was empirisch erhoben wurde per se als Faktum behandelt wird und sich dieser Part in meiner Wahrnehmung viel zu wichtig nimmt. “WIr haben 100 Leute befragt” sagt noch nichts über die Relevanz der Stichprobe aus, das hast du in deiner Kritik an psychologischen Methoden meiner Meinung nach sehr prägnanz formuliert .
Deine Erfahrung wäre nochmal eine Erweiterung meiner These. Ich habe erstmal die Erfahrung gemacht, dass die “coolsten” Jugendlichen die hinteren Bänke für sich proklamieren, während Senioren die vorderen Reihen besetzen – und dies u.a. einen Einfluss darauf hat, wo Senioren mit Beeinträchtigungen einen Sitzplatz für sich beanspruchen und wo nicht (wieso sollte man nicht auch in der letzten Sitzreihe für sie aufstehen?) Solltest du in diesem Kontext weitere Beobachtungen machen, nachdem deine Wahrnehmung hierdurch geschärft wurde, wäre ich daran sehr interessiert – die Hausarbeit werde ich so oder so noch einreichen müssen 😉
Ich hab damals im Studium gelernt, dass eine Erhebung immer ein momentanes Bild ist, das im Zweifel sogar fehlerhaft sein kann. Es ist die Zahlengläubigkeit der modernen Welt, die das alles verabsolutiert.
Also in dem Bus, den ich da frequentiere hat das unter anderem mit dem Einstieg zu tun. Das ist so ein Gelenkbus und du musst vorne einsteigen. Das bedeutet, dass die Rentner allein schon aus Bequemlichkeitsgründen meist nicht weit laufen möchten. Das “hinten fahren” irgendwie einen Selbstwert hat, gab es schon zu meiner Zeit. Dazu kommt aber wirklich, dass alles hinter dem Gelenk hauptsächlich von Menschen U50 benutzt wird in meiner Wahrnehmung jedenfalls. Ich hab im vorderen Bereich, in dem ich meist stehe, weil ich keinen Platz besetzen will, schon komplette Kaffeekränzchen gesehen.
Das mit dem weiter hinten sitzen kann natürlich auch noch was mit Devianz zu tun haben, du hast mehr Zeit dir was einfallen zu lassen, wenn Fahrkarten kontrolliert werden. 🙂
Ich weiß, ich weiß ein Luxusproplem von verzertelte Einzelkindern und Pinguinverstehern, aber mit dem Link zum Podcast:
http://www.wrint.de/category/politikunterricht/feed/
lässt sich diese Episode im rhythmbox nicht runterladen. Und Überraschung, wenn ich den Feed im Browser öffne, ist WR339 die letzte Folge im Feed.
Gibt es einen neuen Feed? Oder sollte ich auf den Link des iTunes-Angebots wechseln?
Vielen Danke für die Mühe
Beim iTunes ist auch WR339 die letzte Folge des “Politikunterrichts”. – Also bleibe ich erstmal beim “normalen” Feed.
Ich hatte vergessen, ein Häkchen zu setzen. Jetzt sollte es gehen.
\o/
Hey,
Danke für die tolle Sendung. Und dank euch beiden habe ich jetzt angefangen, Politikwissenschaft zu studieren. Da ich jetzt die erste Woche hinter mir habe, kann ich sagen: War eine gute Entscheidung, es macht unfassbar viel Spaß.
Danke auch dafür.