WR1461 Chinesische Immobilien, Makroökonomische Prioritäten und Fachkräftemangel

Mit Rüdiger Bachmann und Christan Bayer.

Rüdiger war auf der ASSA 2023. Webcast: Economic Shocks, Crises and Their Consequences, Außerdem: American Economic AssosiationVerein für SocialpolitikPlurale Ökonomik – Schmitt-Grohe, Uribe: What Do Long Data Tell Us About the Inflation Hike Post COVID-19 Pandemic? – Rogoff, Yang: A Tale of Tier 3 Cities – Fertilitätsrate China, Bevölkerungsprognosen bis 2050 – Kirsten Forbes über Lucas: Macroeconomic PrioritiesLehrerin in der ZeitSimon Jäger im Spiegel – Ursula Weidenfeld: Ein Scheinriese namens Fachkräftemangel 

12 Gedanken zu „WR1461 Chinesische Immobilien, Makroökonomische Prioritäten und Fachkräftemangel

  1. Gregor

    Hallo!

    Vielen Dank, dass Ihr das Wachstumsthema wieder aufgegriffen habt. Es lohnt sich meiner Ansicht nach wirklich, an dem Thema dranzubleiben!

    Zu Rüdigers und Christians Aussage, dass sich auch bei ausbleibendem Wachstum nicht die Systemfrage stellt (bei 1:17:00): Zumindest fällt ohne Wachstum eine entscheidende Legitimationslinie weg, nämlich dass in diesem System Verteilungsfragen unwichtiger werden.

    Dazu passt super der AWO-Podcast Folge 27 mit Philipp Lepenies (https://awo.org/awo-podcast): Lepenies beschreibt ab 28:00 min eine ‘befriedende’ Funktion des Kapitalismus während der Wachstumsphase nach dem 2. Weltkrieg. In dieser Phase war es möglich, Verteilungsfragen zu vermeiden (weil gewissermaßen durch Wachstum der Kuchen insgesamt größer wurde und man argumentieren konnte, dass die Verteilung des Kuchens nicht so wichtig ist, wenn alle Stücke größer werden).

    Angenommen, das Wachstum fällt weg: Dann fallen auch diese Argumentation und der Befriedungseffekt weg. Wenn der Kuchen nicht wächst, wird es entscheidender, wie er verteilt wird. (Vor allem, wenn es Menschen gibt, die in Armut leben.)

    [Ich stimme Lepenies zu, dass auch für heute schon die Argumentation aus den Nachkriegsjahren nicht mehr überzeugend ist und es wirklich wichtig wäre, ehrlich über Verteilungsgerechtigkeit zu sprechen – aber das klammere ich jetzt mal aus].

    Damit stellen sich neue Fragen, oder? Wie kann eine friedliche Gesellschaft ohne diese befriedende Funktion aussehen und was muss sich dann im Wirtschaftssystem (vor allem bezüglich Verteilungsfragen) ändern?

    Schöne Grüße,
    Gregor

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  2. Pascal

    Mit ausreichend Zynismus und einer Prise Sarkasmus könnte man den ganzen selbsternannten “Business-Coaches” und sonstigen Fachkräften für Kalendersprüche auf Youtube, Instagram, Twitter u.ä. zugestehen, dass sie mit ihren Schneeballsystemen zeigen, wie Wachstum ohne Ressourcenverbrauch funktionieren kann.

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    1. mithrandir

      Das deke ich mir tatsächlich oft.
      Ich war Mitte der 90er nach meinem Studium arbeitslos und wurde dann quasi aus der Not heraus freiberuflicher IT Berater.
      Damals wussetn die meisten noch wie der PC funktioniert, konnten sich meistens selbste helfen und der IT Service war vor Ort und auf kurzem Weg zu erreichen. Ich war der Helpdesk am Telefon und konnte die Probleme der User zu 75% lösen.
      Dann ging das Outsourcing los. Erst die eigenen Leute nach extern verkauft (an IBM oder Bechtle). Wir wurden ersetzt durch günstige Ostdeutsche. Diese wurden dann durch Tschechen, dann Rumänen und mittlerweile durch Inder ersetzt.
      Die ehemaligen internen ITler wurden mittlerweile auch durch Polen, Inder und Chinesen ersetzt.
      Dabei wurde immer mit Stolz gezeigt wie viel günstiger die IT dadurch wurde.
      Aber gleichzeitig brauchte man immer mehr hochbezahlte Manager um die Provider zu steuern und zu kontrollieren und um eine Schatten IT aufzubauen (Kosten laufen unter dem Deckmantel eines Projekts), die tatsächlich was kann.
      Die Inder, Rumänen und Chinesen sind arme Schweine, die sich das Geschimpfe der deutschen Kunden anhören müssen, weil nichts richtig funktioniert. Vieles liegt auch am Kulturunterschied.
      Ich bin mittlerweile einer der Manager, der sich einen goldenen Hintern verdient, dadurch, indem ich einfach mein altes Basiswissen mit einer Prise gesunden Menschenverstands und dadurch, dass ich immer einen Schritt mehr mache als die “Internen”.
      Ein unglaublicher “kohletechnischer” Aufstieg. Bis heute habe ich das “Imposter Syndrom”, das auch Holgi immer wieder befällt.
      Und alle paar Jahre findet man noch einen billigeren Dienstleister. Dann wird umgestellt und die Prozesse neu erfunden usw. In Wirklichkeit ändert sich so gut wie nix.
      Wir machen uns dabei quasi die Arbeit selbst, für die wir Unsummen verdienen.

    2. holgi Beitragsautor

      Du meinst, ich hätte längst die Rente durch, wenn ich meine – eigentlich nur rudimentären – IT-Kenntnisse und meine Fähigkeit, auch allgemeinverständlich über solche Dinge zu reden, rechtzeitig in einer solchen Weise zu Geld gemacht hätte wie Du? 😉

    3. Interessierter Skeptiker

      Mit einer Prise Zynismus sagte ich während der Hochphase der Corona-Krise in Deutschland, als über eine drohende Pleitewelle kleiner und mittelständischer Unternehmen spekuliert wurde: in der Krise zeigt sich, welche Arbeit wirklich benötigt und demnach auch nachgefragt wird und welche “Dienstleistungen” wie Deko-Läden, Beauty-Shops, Einrichtungsberatung, … sofort ersatzlos entfallen können, ohne dass sich die Lebensqualität der Kunden relevant mindert. Mit Empathie betrachtet erlebten natürlich für die Anbieter solcher Dienstleistungen einen potenziell existenzbedrohenden Schock mit teilweise schweren psychischen Angstzuständen. Auf die Wachstumsfrage angewandt: Wie viel Pseudo-Wachstum steckte in unserem BiP seit den Nullerjahren mit ihrer Fortschreitenden Diversifizierung im Dienstleistungssektor. Ließen sich in relativ unproduktiven Bereichen – Deko-Läden – Arbeitskräfte denn überhaupt durch bessere Arbeitsbedingungen für Pflegeberufe gewinnen (um ein Extrem zu nennen)?

    4. Mithrandir

      @Holgi: das hätte so funktionieren können.
      Ob du mit der rente durch wärst, weiß ich nicht. Tatsächlich verdiene ich ein Schweinegeld, aber mit der rEnte bin ich noch nicht durch, weil mit dem Wohlstand die Ansprüche wachsen und dann ist halt die Abwägung: Früherer Ruhestand gegen Absenkung der Ansprüche.
      Ich kann mit 55 aufhören zu arbeiten, aber mein Wohnmobil kann ich mir dann vielleicht nicht mehr leisten. Was soll ich dann zu Hause tun?
      Das Thema ist doch, dass uns unser Job auch Spaß macht – was wohl auch einen großen Teil unseres Erfolgs ausmacht.
      Im Prinzip schließt sich hier der Kreis zu einem Thema, das ihr vor kurzem in der Wochendämmerung hattet: “Macht Geld glücklich?”
      Und ja, wenn man weiß, dass man aufhören könnte zu arbieten ohne dass man direkt in Existenznot kommt, das macht auf eine Art glücklich.
      Andererseits lebt man eben auch mit dem von dior oft genannten Impostersyndrom “Was wenn die merken, dass ich gar nicht so clever bin? Muss ich dann was zurückzahlen?”

  3. Mario

    Hallo,

    ich kann der Diskussion um die Fachkräfte und deren Mangel nicht ganz folgen. Bezahlung ist da sicherlich ein Teil.
    Meiner eigenen Erfahrung nach wurden und werden jedoch auch Menschen nicht in dem Maß ausgebildet, wie wir sie als Fachkraft benötigen.
    Und teilausgebildete Menschen werden in Betrieben nicht immer entsprechend weitergebildet. Es wird erwartet, dass man das irgendwie selbst macht.
    Und wenn man sich bewirbt, wird man abgelehnt, anstatt dass man den fehlenden Bereich weitergebildet bekommt.
    Wobei das dann eher schon eine Spezialisierung betrifft (spezialisierte Fachkräfte).
    Bei Umstrukturierungen fällt man auch gern mal raus, weil man ja keine entsprechende Weiterbildung nachweisen kann – obwohl man X Jahre die Aufgaben gemacht hat, die genau die geforderte Qualifizierung erfordern.

    Des Weiteren werden Menschen stark nach Tätigkeit definiert – oder bewertet. Wenn ich sehe, wie man hier in der örtlichen Behörde mit Reinigungskräften umgeht und was in deren Firma alles so abläuft,
    dann hätte ich auch keine Lust, dort zu arbeiten. Auch nicht für mehr Geld.

    Wobei in diesem Fall auch die Aussage der staatlich gemachten Löhne zutrifft – naja, zum Teil.
    Solange Gebäude behördlich genutzt werden, werden auch Reinigungskräfte benötigt. Trotzdem sind sie nicht fest beim Staat angestellt. Da wollte der Staat sparen.
    Mit der Folge einer Fluktuation an Menschen, die man jedes Mal neu in die Arbeit einweisen muss.
    Geld gespart und Zeit aufgewendet. Die Schicht hat trotzdem nur acht Stunden…
    Oder weniger, weil die Kosten gestiegen sind, das Geld jedoch nicht vorhanden war. Musste eben schneller wischen. Und wenn man nachfragt, wie man die Toilette in einer Minute reinigen soll, dann wird man als Aufmüpfig bezeichnet.

    Eine weitere Beobachtung:
    Die Menschen scheinen viele Arbeiten zu machen, die eigentlich für das Ergebnis nicht notwendig sind.
    Das sind größtenteils irgendwelche Verwaltungsaufgaben, die man mindestens effizienter strukturieren könnte. Wenn Fachkräfte damit beschäftigt sind, geht Zeit für deren eigentliche Arbeit verloren.
    Vielleicht wäre es eine Lösung, die Verwaltungstätigkeiten bzw. den Verwaltungsaufwand kritisch zu prüfen und ggf. neu zu strukturieren.

    Viele Grüße

    Mario

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    1. Andreas

      Alles eine Frage der Anreizsysteme. Wenn Du als Verwaltungsmitarbeiter was machst (weil es Deine Aufgabe ist, weil Du es voranbringen willst) und es geht schief, bekommst Du Arbeit. Wenn Du Dich einer Aufgabe möglichst kompliziert stellst, tausend andere Behörden fragst, vor lauter Arbeit nicht voran kommst, bekommst Du Verständnis und Lob für Deinen Fleiß und keine ewiteren neuen Aufhaben. Hast aber keine greifbaren Ergebnisse vorzuweisen, außer viel beschriebenes Papiert. Beobachtet in einer Kommune Deiner Wahl am Beispiel von Fahrradständern.

  4. Martin

    Ich finde die Themen sehr interessant, aber es ist für mich anstrengend zuzuhören.
    Gibt es eine Software, die jedes “Ähh” und “Ähm” automatisch erkennt und aus dem Audio entfernen kann bevor ich es mir anhöre ?

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  5. das-pearl

    gerade in der pflege und im bildungsbereich gibt es eben genug fachkräfte und auch an den orten, wo diese leben. nur im kern (vermutlich wegen der zeit) seid ihr gar nicht dahin gekommen. wenn es genug pflegekräfte gibt in region x + 20 km, warum werden die nicht gefunden bzw von einem fachkräftemangel gesprochen? eben weil wir das gesellschaftliche problem der arbeitsbedingungnen und/oder das politische problem der entlohnung nicht klären wollen. gutmütig könnte man auch sagen, man hatte noch keine zeit es zu klären…

    im industriellen sektor sehe ich, wie mario schon schrieb, den mangelnden willen aus-/fortzubilden. kostet geld, der mitarbeiter ist eine woche/monat/halbes jahr nur eingeschränkt verfügbar etc. dann lieber einen fertig ausgebildeten 30-jährigen mit 15 jahren erfahrung in dem spezialgebiet, was ich für das nächste projekt brauch.

    outsourcing ist für mich noch mal ein anderes thema, gerade was die ausbeutung auf mindestlohnbasis angeht. mir hat bisher noch niemand die rechnung aufgemacht, wieviel eine outgesourcte putzkraft am ende günstiger ist, als eine angestellte. ebenso im bereich zugangswege (pforte, empfang) und kontrolle ohne auszubeuten (es kommt zur putzkraft ja ein häuptling dazu, der fürs koordinieren der putzkräfte auch bezahlt werden will)…

    thema fachkräftemangel bitte noch mal aufgreifen.

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  6. Matthias

    Ist die Frage des Fachkräftemangels nicht auch außerhalb (halb) staatlicher Sektoren wie der Pflege und dem Bildungswesen schlussendlich eine Frage der politischen Zielsetzung? Wenn politisch festgelegt wird, wir brauchen jedes Jahr 500.000 neue Wärmepumpen, 1500 Windrädern, 400.000 neue Wohnungen und jedes Jahr müssen X% des Gebäudebestands saniert werden, lassen sich innerhalb der Marktlogik räumende Preise für Handwerker feststellen, die wie bei der Mikro-Sicht auf Unternehmen sicher auch zu individuell steigenden Löhnen führen. Allerdings hat man damit im Zweifel trotzdem nicht die vorgegebenen Ziele erreicht und braucht somit rein physisch, sofern man die Arbeitszeiten nicht erhöhen möchte (hier kommt für mich der Vorschlag der Arbeitgeber zum Tragen), einfach mehr Arbeitnehmer, um die umweltpolitischen Ziele zu erreichen. Bei relativ unelastischem Angebot (Ausbildung, Prestige der Arbeit, Arbeitsumfeld…) der Arbeitnehmer/Unternehmen haben wir am Ende bei elastischer Nachfrage zwar steigende Preise, aber trotzdem zu wenige Wärmepumpen, Windräder oder Neubauten.
    Auf die Situation der Pflege und des Bildungssystems übertragen wären aktiv sinkende Standards der Versorgung oder Leistung bei zu geringem Personalstand wohl politisch auch kaum durchsetzbar.
    Relativ steigende Löhne machen hier somit das Handwerk attraktiver, ziehen aber wieder mögliches Nachwuchspersonal z.B. aus der Pflege oder dem Erziehungs- und Bildungssystem ab. Das allerdings wird den Trend der demografischen Entwicklung oder der zunehmenden Akademisierung nur bedingt aufhalten können. Arbeitsmigration wäre sicher eine Lösung, hat aber wiederum eine eigene, gesellschaftliche Dynamik.
    Am Ende haben wir durch steigende Preise natürlich auch ein zumindest subjektiv sinkendes Wohlstandsniveau, weil man sich durch die relativ höheren Preise z.B. keinen Handwerker oder kein neues Auto leisten kann, wenn die hohe staatlich induzierte Nachfrage hier den Preis treibt oder man seinen Konsum deutlich stärker als vielleicht zuvor einschränken müsste, um solche Investitionen zu finanzieren.

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    1. Titus von Unhold

      “lassen sich innerhalb der Marktlogik räumende Preise für Handwerker feststellen, die wie bei der Mikro-Sicht auf Unternehmen sicher auch zu individuell steigenden Löhnen führen.”

      Nur halten sich Handwerker nicht an Marktlogiken und senken inflationsbereinigt seit Jahren die Preise.

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